Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

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»Institut für Staatspolitik«
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Linke Kommunalpolitik –
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ISBN 978-3-89965-578-0

27. Juli 2018 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Die Rückkehr der Gießkanne

Angesichts steigender Steuereinnahmen hat der rot-grüne Senat die bisherige Berechnungsgrundlage für die Finanzhaushalte aufgegeben und überrascht die von der Sonne verwöhnten Hamburger*innen durch eine Operation Gießkanne: Im laufenden Jahr soll eine Mrd. Euro mehr ausgeben werden als bislang im Haushaltsplan für 2018 vorgesehen.

Ende vergangenen Jahres hatte die Bürgerschaft beschlossen, dass der Senat seine Ausgabenpolitik  nicht mehr nur am langjährigen Mittel der Einnahmen orientieren will, sondern bei der Haushaltspolitik  eine Wachstumskomponente unterlegt. »Mit der Fortschreibung des Haushaltsplanes 2018 setzen wir den Auftrag der Bürgerschaft um, den Wachstumsfaktor schon im laufenden Plan zur Geltung zu bringen«, sagt Finanzsenator Andreas Dressel. »Das Wachstum unserer Stadt wartet nicht, wir müssen es aktiv gestalten und dafür auch die notwendigen finanzpolitischen Rahmenbedingungen schaffen.«

In der Tat: allein der Bevölkerungszuwachs hat anfangen vom Wohnen, über die Bildung bis hin zu Gesundheit und Alter die bisherige Konzeption durchlöchert. Gleiches gilt für den absurden Plan auf längere Sicht die Beschäftigung im öffentlichen Sektor zu reduzieren: »Wir sind von dem Schema weg, minus 250 Stellen erreichen zu müssen«, verkündet der Chef der Senatskanzlei und des Personalamtes, Christoph Krupp. Dieses Abbauziel gilt nicht mehr Stattdessen gelte jetzt das Schema, in den Bereichen zu handeln, in denen es Bedarf gibt. Faktisch hat die expandierende Stadt den rot-grünen Senat gezwungen, endlich von den Vorstellungen abzurücken, die am grünen Tisch ersonnen wurden. Konzepte sind Mangelware, verteilt wird nach dem Gießkannenprinzip.

Der rot-grüne Senat nutzt die Sommerpause, um vor dem Hintergrund schlechter Umfrageergebnisse und mit Blick auf die Anfang übernächsten Jahres anstehende Bürgerschaftswahl gute Stimmung zu machen. So hat er jetzt eine noch »geheime« Drucksache streuen lassen, aus der hervorgeht, dass er im laufenden Jahr rund eine Mrd. Euro mehr ausgeben will, als im Haushaltsplan 2018 vorgesehen sind. Rund 700 Mio. Euro sollen in den laufenden Haushalt fließen, im Umfang von 300 Millionen Euro sind zusätzliche Investitionen beabsichtigt.
Der Nachtragshaushalt von Rot-Grün für 2018 sieht höhere Ausgaben für Kitas, Schulen, Straßensanierung und Polizei vor. Mit den Mehrausgaben solle, so die schon aus den letzten Monaten bekannte Botschaft, dem Bevölkerungswachstum Rechnung getragen werden. In den vergangenen zehn Jahren sei Hamburg um rund 100.000 Einwohner*innen gewachsen und habe erstmals seit den 1960er Jahren mehr als 1,8 Mio. Einwohner*innen.

Mehr Einwohner*innen bedeuteten höhere Ausgaben zum Beispiel für Kita, Schule, Verkehrsinfrastruktur und innere Sicherheit. Diese »Wachstumskomponente« hatte der Senat bereits zur Grundlage für den Doppelhaushalt 2019/20 gemacht und sie auch für 2018 im Rahmen eines Nachtragshaushalts angewendet und den Finanzrahmen entsprechend angepasst.
Die neue rot-grüne Blackbox heißt also: stadtverträgliches Wachstum. 100.000 mehr Zuwander*innen in acht Jahren – diese Logik wird fortgeschrieben bis weit über die zwei Millionengrenze hinaus. Aber was heißt da stadtverträglich für Wohnen, Verkehr, Bildung und öffentliche Infrastruktur? Darüber hätte man sich schon gerne eine öffentliche Debatte gewünscht. So müssen die Bürger*nnen auch künftig ihre Mitsprache und Beteiligung selbst offensiv anmelden und durchsetzen.

Eine Stadtentwicklungskonzeption gibt es nur für die politischen Experten.
Hintergrund der Teilkorrektur der bisherigen Haushaltspolitik ist die (noch) gute Wirtschaftslage und die daraus resultierenden Steuereinnahmen. So kann Hamburg nach der jüngsten Steuerschätzung mit deutlich mehr Steuereinnahmen rechnen als bislang angenommen. Für die fünf Jahre 2018 (plus 198 Mio. Euro) bis 2022 (plus 301 Mio. Euro) sagt die aktuelle Steuerschätzung der Stadt Mehreinnahmen von insgesamt knapp 1,2 Mrd. Euro voraus.
Diese Teilkorrektur betrifft auch die bisherige Personalpolitik. So hat der Personalbestand des öffentlichen Dienstes in Hamburg eine neue Höchstmarke erreicht: 70.475 Beschäftigte in Behörden, Ämtern und anderen Dienststellen wurden Ende 2017 gezählt. Das ist ein Plus von 872 Männern und Frauen gegenüber dem Vorjahr. Umgerechnet in Vollzeitstellen bedeutet das eine Steigerung um 641 auf 61.462 Stellen. Die Zahlen sind im Personalbericht 2018 des Senats enthalten, den Senatskanzlei-Staatsrat Christoph Krupp (SPD) vor kurzem vorgestellt hat. Bei dieser Gelegenheit hat er dann auch das Ende des sog. Scholz-Tschentscher Plans besiegelt.

Ex-Bürgermeister Olaf Scholz und der damalige Finanzsenator und heutige Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD) hatten 2011 angekündigt, pro Jahr 250 Stellen in der öffentlichen Verwaltung abzubauen. Mit den dauerhaften Einsparungen von 12,5 Mio. Euro jährlich sollte u.a. die Abschaffung der Studien- und der Kitagebühren finanziert werden. Doch das Streichvolumen wurde in keinem Jahr erreicht.

Ausgenommen von Kürzungen waren von Anfang an der Lehrerstellenplan, der Bereich innere Sicherheit mit Polizei und Feuerwehr sowie die Hochschulen. Für die anderen Bereiche aber war der Einsparungsdruck groß, so bei den Bezirksämtern. Das dieser Unsinn nun auch offiziell beerdigt wird, ist zwar löblich, aber weniger Resultat von Einsicht, sondern dem Druck der Verhältnisse geschuldet.

Die moderate Korrektur des bisherigen Kurses in der Haushaltspolitik hatte sich schon Anfang April angekündigt. Durch eine Veränderung des Konjunkturbereinigungsverfahrens hatte sich der rot-grüne Senat zusätzlichen Ausgabenspielraum verschafft. Er steigt für 2018 um gut 700 Mio. Euro, für 2019 um 800 Mio. Euro und für 2020 sogar um mehr als eine Mrd. Euro.
Die rot-grüne Regierung hatte sich endlich eingestanden, dass es trotz Ausweitung der Neuverschuldung (vor allem durch das HSH Nordbank-Debakel) sinnvoll ist, einen Teil des Haushaltsüberschusses für sinnvolle Investitionen in die Zukunft der Stadt einzusetzen. So soll jetzt auch schon für 2018 ein Teil der Steuermehreinnahmen dafür verwandt werden, wichtige staatliche Leistungen zu verbessern und Investitionen in die Infrastruktur der Stadt auszuweiten – allerdings ohne Debatte darüber, wofür die zusätzlichen Mittel in der Stadt eingesetzt werden sollen.



Schaut man genauer
auf die jetzt für dieses Jahr geplanten Mehrausgaben, bringen z.B. 123 Mio. Euro für mehr Personal in den Schulen, 160 Mio. Euro mehr für die Kitas oder 120 Mio. Euro für die öffentliche Infrastruktur sicherlich deutliche Verbesserungen in diesen Bereichen, werden aber bei weitem nicht den Anforderungen gerecht, die gerade die wachsende Stadt mit sich bringt. In für die Zukunft der Stadt zentralen Bereichen wie Wohnen, Arbeitsmarkt oder Armutsbekämpfung sind charakteristischerweise allerdings überhaupt keine Mehrausgaben vorgesehen. So muss die Behörde für Standentwicklung und Wohnen sich mit 10 Mio. Euro für die Sanierung städtischer Plätze begnügen, bei der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration ist an zusätzlichen Mitteln für die Arbeitsmarktpolitik nichts vorgesehen.

Insgesamt fehlt in diesem Nachtragshaushalt, wie auch im Entwurf für den Doppelhaushalt 2019/2020, ein Plan für die Zukunft der Stadt. So zeichnet sich beim aktuell dringlichsten Thema der Stadt, beim Wohnen, keine Änderung der bisherigen Politik ab. Es bleibt bei 3.000 geförderten Wohnungen pro Jahr, die dafür vorgesehen Mittel von etwa 150 Mio. Euro reichen hinten und vorne nicht, um den dringendsten Handlungsbedarf abzudecken. So hätte der Nachtragshaushalt 2018 die Möglichkeit geboten, statt z.B. 185 Mio. Euro in die Konjunkturrücklage zu stecken, das Geld für die Ankurbelung des Baus von preiswerten Wohnungen auszugeben.

Insgesamt bleibt der im Nachtragshaushalt 2018 und dem Doppelhaushalt 2019/20 gemachte Schritt in Richtung Anerkennung der Realität halbherzig: Weil die Zinsen für öffentliche Kredite noch auf einem tiefen Niveau sind, wäre es naheliegend, auch weitere öffentliche Kredite zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur der Hansestadt einzusetzen.

Aktuell wird der Kernhaushalt auf der Grundlage von positiver Konjunktur und Steueraufkommen gesteuert, aber eben auch durch ein Ausweichen in Finanzierungen außerhalb des Haushalts – sowohl bei Sondervermögen und Extra-Haushalten, aber auch mit Finanztransaktionen. Wenn die Konjunktur künftig mal keine gute Grundlage liefert und zugleich die Belastungen aus der HSH-Affäre haushaltsrelevant werden, wird sich der Handlungsspielraum deutlich verringern.

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