Der rechte Rand

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27. September 2019 Joachim Bischoff/Bernhard Müller

Die »grüne Stadt der Zukunft« und die Strukturprobleme der Metropolregion Hamburg

Bei den Europa- und Bezirkswahlen in Hamburg hat sich der politische Absturz der Sozialdemokratie fortgesetzt und sind die Grünen zur stärksten Partei in der Hansestadt geworden.

Die logische Folge: Auf der Bezirksebene haben sich die politischen Kräfteverhältnisse neu sortiert und sind neue politische Koalitionen entstanden. So wurde jetzt die frühere Bürgerschaftsabgeordnete Stefanie von Berg zur ersten Bezirksamtsleiterin der Grünen in Hamburg gewählt. Es ist zu erwarten, dass sich diese Tendenz auch bei den Bürgerschaftswahlen im Februar 2019 fortsetzen wird.

Entsprechend selbstbewusst gehen die Grünen in die Wahlauseinandersetzung und kündigen in ihrem »Regierungsprogramm« an, »Hamburg zur grünen Stadt der Zukunft« zu entwickeln. Das Leitbild der »wachsenden Stadt« will man durch das einer »inklusiven, kreativen und klimaneutralen Metropole der Zukunft« ablösen. Vor welchen Herausforderungen steht eine solche grüne Zukunftskonzeption gerade auch mit Blick auf den notwendigen Strukturwandel der Hamburger Wirtschaft?

Die ungenutzten Potenziale der Metropolregion Hamburg

Das Bruttoinlandsprodukt (der Wert aller erzeugten Güter und Dienstleistungen; BIP) ist in Hamburg im ersten Halbjahr 2019 gegenüber dem ersten Halbjahr 2018 nominal (in jeweiligen Preisen) um 3,4% gestiegen. Unter Berücksichtigung der Preisveränderungen ergibt sich ein Wirtschaftswachstum von real plus 1,6%, so das Statistikamt Nord. Das Hamburger Ergebnis liegt damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt, der bei 2,4% nominal und 0,4% real lag.

Während auf Bundesebene das Verarbeitende Gewerbe einen deutlichen Rückgang zeigt, stieg die Wirtschaftsleistung im Hamburger Verarbeitenden Gewerbe leicht an. Vor allem die für Hamburg bedeutenden Branchen »Sonstiger Fahrzeugbau« und »Reparatur und Installation von Maschinen und Ausrüstungen« leisten hier einen positiven Wachstumsbetrag. Auch das Hamburger Baugewerbe wuchs deutlich. In den Dienstleistungsbereichen insgesamt entsprach der Zuwachs der Bundesentwicklung.


Das im Vergleich zum Bundestrend erfreuliche Wirtschaftswachstum in Hamburg im 1. Halbjahr 2019 darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hansestadt seit der Wirtschaftskrise 2008/2009 beim BIP-Wachstum hinterherhinkt. Zweitens dominieren in Hamburg und Berlin, dessen BIP auch überproportional angestiegen ist, die Dienstleistungsbereiche. Dieser Sektor sei, so Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), von der schwächeren Wirtschaftsentwicklung noch nicht so erfasst worden wie die Industrie. Beide Städte profitierten zudem von einem starken Zuzug von neuen Einwohner*innen und der boomenden technologiebasierten Start-up-Szene.

Auf diese ökonomisch-sozialen Defizite weist auch die OECD[1] in ihrem aktuellen Bericht über die Metropolregion Hamburg hin. Im Vergleich mit anderen deutschen und europäischen Ballungsräumen nutze die Metropolregion Hamburg (MRH) ihr Potenzial nur unzureichend aus. »Trotz eines dynamischen Hafens, vielfältiger Wirtschaftscluster, erstklassiger Forschungseinrichtungen, einer Fülle von Kultur-, Natur- und Freizeitstätten und einer im Allgemeinen hohen Lebensqualität ist die MRH gegenüber anderen Metropolregionen im OECD-Raum und in Deutschland im Rennen zurückgefallen. Obwohl Pro-Kopf-BIP und Arbeitsproduktivität in der MRH hoch sind, kann sie auf diesem Gebiet nicht mit anderen hoch produktiven Metropolregionen des OECD-Raums, wie Boston in den Vereinigten Staaten, Kopenhagen in Dänemark und Göteborg in Schweden, mithalten.«

Die Metropolregion Hamburg zählt knapp 5,4 Mio. Einwohner (rd. 6% der deutschen Gesamtbevölkerung). Sie besteht aus der Freien und Hansestadt Hamburg, der mit einer Bevölkerung von mehr als 1,8 Mio. zweitgrößten deutschen Stadt, sowie Teilen der drei umliegenden Bundesländer Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

Metropolregion Hamburg fällt zurück

Die MRH sei zwar reich an Wirtschafts-, Umwelt- und Kulturgütern, zudem habe sie die einzigartige Chance, ihre Position im Wirtschaftskorridor zwischen Hamburg und Oslo weiter auszubauen. Dennoch falle die MRH im Vergleich hinter die süddeutschen Regionen zurück. Ein Grund: »Häufig ist sie zu sehr mit dem Wettbewerb auf lokaler Ebene innerhalb der Region beschäftigt, um sich der globalen Konkurrenz zu stellen. Folglich entspricht ihre Wirtschaftsleistung nicht dem Niveau, das eine Region ihrer Größe erreichen könnte, wie ihre niedrige Arbeitsproduktivität zeigt.«

Zwar steuere die norddeutsche Region den fünftgrößten Beitrag zur gesamten Wirtschaftsleistung (BIP) der Bundesrepublik bei. Doch pro Kopf der Beschäftigten gerechnet sei die Wirtschaftskraft niedrig. Vor allem die süddeutschen Metropolregionen hätten sich in den zurückliegenden Jahren »deutlich besser« entwickelt. So habe etwa der Wirtschaftsraum um Stuttgart zwischen 2005 und 2015 das Pro-Kopf-BIP um 39% gesteigert, während die Region um Hamburg nur ein Plus von 19% schaffte. Betrachte man zudem das BIP je Beschäftigtem, so rangiere die Metropolregion Hamburg »immer noch deutlich unter dem Niveau, das beispielsweise Göteborg, Kopenhagen und Rotterdam erzielen«, schreiben die Experten der OECD.

Zurückzuführen sei dies u.a. auf ein vergleichsweise niedriges Kompetenzangebot und eine geringe Innovationskapazität. Die Unternehmen hätten mit Fachkräftemangel zu kämpfen. Zudem wird das Wachstumspotenzial der Region durch fehlende Koordination bei der Clusterentwicklung beeinträchtigt. Durch die Digitalisierung veränderten sich viele Produktions- und Arbeitsprozesse von Grund auf, was auch Auswirkungen auf die am Arbeitsmarkt nachgefragten Kompetenzen habe. Die vier Bundesländer müssten daher ihre Kräfte im öffentlichen und privaten Sektor, im Bildungswesen und in der Forschung bündeln, um die Erwerbsbevölkerung mit den erforderlichen Kompetenzen auszustatten.




Strukturelle Transformation erforderlich

Dass Firmen in der Metropolregion Hamburg relativ wenig in Forschung und Entwicklung investieren – der Betrag liegt unterhalb von einem Prozent, verglichen mit 3,5% in der Region Stuttgart – liegt nach Auffassung der OECD-Experten einerseits an der hiesigen Wirtschaftsstruktur: Im Norden gibt es erheblich weniger Großunternehmen als im Süden Deutschlands. Andererseits basierte die Wirtschaft der MHR »in der Vergangenheit hauptsächlich auf Logistik und Handel«. Noch immer sei der Hafen einer der größten Arbeitgeber der Region. Doch der Ausdehnung dieser Verkehrsdrehscheibe und dem Ausbau des Seehandels seien »natürliche, geografische und ökologische Grenzen« gesetzt. Von der Wirtschaftspolitik sei daher eine »strukturelle Transformation« gefordert. Dabei gelte es vor allem, »über Kommunal-, Länder- und auch Staatsgrenzen hinaus zu denken«. Häufig sei man zu sehr mit dem Wettbewerb auf lokaler Ebene innerhalb der Region beschäftigt, um sich der globalen Konkurrenz zu stellen, so die Analyse.

Die vier Bundesländer, die der MRH angehören, seien zwar alle dem EU-Ansatz der intelligenten regionalen Spezialisierung gefolgt, hätten aber jeweils eigenständige Clusterstrategien entwickelt. Hamburg setze auf acht Unternehmenscluster, um die wirtschaftliche Entwicklung und Innovationen anzukurbeln. In Niedersachsen werden sieben, in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein jeweils fünf Unternehmenscluster gefördert. Bei mehreren dieser Cluster gebe es Überschneidungen zwischen den einzelnen Bundesländern (z.B. in den Bereichen maritime Wirtschaft, Logistik, Gesundheits- und Lebenswissenschaften, Luftfahrt und erneuerbare Energien). »Vereinzelt wird über Ländergrenzen hinweg zusammengearbeitet, und zwar mit ausgezeichneten Ergebnissen (z.B. in der Luftfahrtbranche und bei erneuerbaren Energien). Es gibt jedoch kein gemeinsames Konzept für die Nutzung von Synergien innerhalb der Region und keinen Mechanismus zur Bündelung von Ressourcen und Kapazitäten.«

Durch eine gemeinsame Fokussierung auf Cluster in Bereichen wie Energie, Lebens- und Gesundheitswissenschaften, Lebensmittelindustrie und maritime Wirtschaft wäre es möglich, Synergien auszuschöpfen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Region international attraktiver und wettbewerbsfähiger zu machen. Insbesondere bei erneuerbaren Energien (vor allem Windkraft) habe die MRH sowohl im Deutschland- als auch im Europavergleich einen erheblichen Wettbewerbsvorteil.

»Eine stärkere Zusammenarbeit zur Entwicklung einer klaren, integrierten regionalen Innovationsstrategie würde der gesamten MRH – einschließlich der Stadt Hamburg selbst – zugutekommen.« Die vier Trägerländer sollten auf dem Erfolg der NEW 4.0 und des Luftfahrtclusters aufbauen und eine integrierte regionale Innovationsstrategie entwickeln. Ziel dieser Strategie sollte es sein, überlappende Initiativen zusammenzuführen und eine effizientere Wissensschaffung und -verbreitung zu fördern. Dazu könnte eine regionale Innovationsagentur eingerichtet werden.

So verfüge die MRH über ideale Voraussetzungen, um die Energiewende in Deutschland zu ihren Gunsten zu nutzen, u.a. dank der hohen installierten Leistung aus Offshore-Windkraftanlagen, des Potenzials der Offshore-Windkraft, der Anbindung der skandinavischen Wasserkraftwerke an das mitteleuropäische Stromnetz und Möglichkeiten zum Anschluss künftiger LNG-Terminals an das Gas-Fernleitungsnetz.

Im Bereich der Erneuerbaren Energien, in dem die Metropolregion das Potenzial habe, eine »globale Spitzenposition« zu erlangen, sowie im Luftfahrtsektor werde schon »mit ausgezeichneten Ergebnissen« über Bundesländergrenzen hinweg zusammengearbeitet, urteilt die OECD. Ansonsten aber fehle es vielfach an einer sinnvollen Vernetzung. Dazu müssten allein schon »Engpässe im Schienen- und Straßenverkehr« beseitigt werden. Gefordert seien unter anderem ein ÖPNV-Tarifverbund für die gesamte Metropolregion und eine integrierte Wohnungsbauplanung. Eine »gemeinsame Marketingstrategie« könne die Region für Fachkräfte, Unternehmen und Touristen sichtbarer machen.

Zu einer integrierten Wohnungsplanung gehört, mehr Wohnungen für Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu bauen, nachdem der Bestand an Sozialwohnungen seit Anfang der 1990er Jahre dramatisch zurückgegangen ist. Raumplanungskompetenzen könnten einem regionalen Planungsverband übertragen werden, der einen Regionalplan für die gesamte oder einen wesentlichen Teil der MRH aufstellen könnte. Dies könnte dazu beitragen, die Fragmentierung des Wohnungsmarkts zu überwinden, Wohnungsangebot und -nachfrage besser miteinander in Einklang zu bringen und den Anstieg der Wohnimmobilienpreise und der Mieten einzudämmen.

So waren 2016 nur ungefähr 7% der Einwohner der Stadt Hamburg der Ansicht, dass es leicht sei, in ihrer Stadt eine gute Wohnung zu einem vernünftigen Preis zu finden – gegenüber 31% in Barcelona und 34% in Rotterdam. Obwohl auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene Maßnahmen ergriffen wurden, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sind die Wohnkosten im urbanen Kern der MRH gestiegen. Dies ist auf einen Mangel an Bauland, einen schrumpfenden Sozialwohnungsbestand sowie höhere Planungs- und Baukosten aufgrund von qualitativen und ordnungsrechtlichen Anforderungen (einschließlich langwieriger Planungsverfahren) zurückzuführen.

Darüber, dass Hamburg und die Metropolregion mit ihrer starken Ausrichtung auf die Hafenwirtschaft eine strukturelle Transformation ihrer regionalen Wirtschaftskreisläufe braucht, gibt es schon eine längere Debatte. Der rot-grüne Senat hat dazu wenig auf den Weg gebracht. Auch jetzt wird statt die Ratschläge der OECD-Experten ernst zu nehmen, wieder nur Rosinenpickerei betrieben. »Die OECD bescheinigt der Metropolregion Hamburg das Potenzial, ein Weltmarktführer im Bereich Erneuerbare Energien werden zu können«, sagte Andreas Rieckhof, Staatsrat der Wirtschaftsbehörde. »Wir wollen hier entschlossen handeln und die Chancen Norddeutschlands nutzen.«

Die Grünen kündigen im Entwurf ihres Wahlprogramms an, den Strukturwandel in Hamburg gestalten zu wollen und die Stadt »zur Metropole des Wissens« zu machen, »in der sich Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vernetzen«. Mit einem Cluster für nachhaltige Unternehmen soll »die öko-soziale Marktwirtschaft« in Hamburg gestärkt werden. Den Hamburger Hafen wollen die Grünen zu einem »ökologischen Innovationshafen« entwickeln. Dazu »erarbeiten wir einen neuen Hafenentwicklungsplan, investieren in Landstrom und wollen den Hafen bis 2035 weitgehend emissionsfrei machen«. Dass ein ambitionierter Klimaschutz bei der weiteren Entwicklung Hamburgs eine große Rolle spielen muss, ist nicht strittig. Für eine »strukturelle Transformation« der Hamburger Wirtschaft reicht das allein allerdings nicht.


[1] OECD (2019), OECD-Berichte zur Regionalentwicklung: Metropolregion Hamburg, Deutschland, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/6843d6f0-de. Anfang 2018 hatte der Regionsrat, das Steuerungsgremium des 5,3 Mio. Einwohner*innen in vier Bundesländern umfassenden Wirtschaftsraums, den Beschluss gefasst, sich als erste der elf deutschen Metropolregionen einer kritischen Betrachtung durch die OECD zu stellen. Jetzt liegt das Resultat vor. Der rund 200 Seiten lange Bericht zeigt nicht nur Stärken und Schwächen auf, er enthält auch etliche konkrete Handlungsempfehlungen.

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