Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

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Linke Kommunalpolitik –
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33 Stätten der Erinnerung und Mahnung | Herausgegeben von der Willi-Bredel-Gesellschaft – Geschichtswerkstatt e.V.
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28. August 2015 Joachim Bischoff und Norbert Weber

Was wollen die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein mit der maroden HSH Nordbank anfangen?

Zum Halbjahresbericht der HSH-Nordbank zum 30.06.2015

 

Der Tenor der Presseberichterstattung über das Halbjahresergebnis der einstigen Landesbank passt in das Schema der letzten Jahre: Die HSH Nordbank hat im ersten Halbjahr 2015 erneut Fortschritte mit ihrem neuen Geschäftsmodell erzielt, die Kosten weiter konsequent reduziert und ihren Gewinn ausgebaut. Also schwarze Zahlen: Gewinn vor Steuern von 222 (Vorjahreszeitraum: 432) Mio. Euro. Die Bank macht Fortschritte und will das zweite Jahr in Folge trotz erheblicher Prämienbelastung mit Gewinn abzuschließen. Die Überschrift der bankeigenen Presseerklärung lautet: »HSH Nordbank im ersten Halbjahr mit 222 Mio. Euro Gewinn vor Steuern«.

Zugleich berichten die Medien über ein neues Hilfspaket. Geplant ist ein Milliardenzuschuss für die angeschlagene Bank. Denn nach wie vor drücken sie erhebliche Altlasten. Die traurige Wahrheit ist: Die Bank ist weiterhin ein Fass ohne Boden. Grundlage für diese Horrormeldungen ist ein Gutachten der Wirtschaftsberatung Bain & Company, das allerdings schon einige Monate alt ist. Hamburg und Schleswig Holstein sind als Haupteigener (85 % des Kapitals) der Bank wegen des sich dahin schleppenden EU-Verfahrens über die Aufstockung der öffentlichen Garantien auf 10 Mrd. Euro unter Druck. Die Länder haben prüfen lassen, was sie die Unterstützung der HSH Nordbank bei einem »Nein« aus Brüssel kosten könnte. Die Gutachter schreiben, dass die Länder der EU-Kommission »als gemeinsam mit der Bank entwickeltes Zielmodell« vorgeschlagen habe, der HSH Nordbank faule Schiffskredite abzukaufen. »Nichts zu tun, ist keine Option, die das Vermögensinteresse der Länder wahrt«, so die Bank-Experten. Sie taxieren die möglicherweise anfallenden Kosten je nach Variante  auf drei bis 14 Mrd. Euro.

Es ist die übliche Schönrednerei in der bekannten Komplizenschaft von Bankmanagement und Politik. Die Bank ist alleine nicht lebensfähig. Bei einer möglichen vermögensschonenden Abwicklung würden die Bundesländer vermutlich auf hohen Fehlbeträgen sitzenbleiben. Daher stimmt die politische Klasse immer wieder einer Fortführung zu, obwohl die Bank für die gesamte Region keinen positiven Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung nachweisen kann. »Es muss ein vernünftiger Weg gefunden werden, dass wir die Altlasten an die Haupteigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein übertragen«, sagte Vorstandschef Constantin von Oesterreich bei der Präsentation der Halbjahresbilanz in Hamburg. Derzeit hat die Bank 15 Mrd. Euro an faulen Krediten in den Büchern, vor allem an Unternehmen aus der kriselnden Schifffahrtsbranche. Das entspricht einer Quote von 23% am Kreditportfolio. Finanzvorstand Stefan Ermisch bezeichnet dies als »nicht akzeptabel۸. Vernünftig wären eher 3%, um die Refinanzierung der Bank zu erleichtern. Damit müssten rechnerisch etwa 13 Mrd. Euro an ausfallgefährdeten Krediten in eine Zweckgesellschaft der Länder ausgelagert werden.

Trotz dieser wenig positiven Botschaft wird erneut Besserung für die ferne Zukunft verkündet. »Diese Bank ist in den vergangenen Jahren dank verlässlicher Arbeit, Zielstrebigkeit und dem Vertrauen ihrer Kunden gut vorangekommen Wir werden diesen Kurs fortsetzen und die HSH Nordbank mit ihrem zusehends etablierten Geschäftsmodell zu einer langfristig profitablen Regionalbank (!) machen. Außerdem werden wir die Fehler der Vergangenheit weiter konsequent aufarbeiten und zugleich die richtigen, mitunter auch unpopulären, strategischen Entscheidungen für die Zukunft treffen. Mit Blick auf das laufende Beihilfeverfahren in Brüssel gehen wir davon aus, dass die Eigentümer zusammen mit der EU-Kommission zeitnah Entscheidungen treffen«, sagte der Vorstandsvorsitzende Constantin von Oesterreich.

Und wie sehen die schwarzen Zahlen des ersten Halbjahres 2015 aus? Der Gesamtertrag der Bank im 1. Halbjahr betrug 652 Mio. Euro, das Neugeschäftsvolumen stieg auf 4,9 Mrd. Euro. Die schonungslose Realität ist: Das Ergebnis vor Restrukturierung sank um 33 %, das Ergebnis vor Steuern um 49% und das Konzernergebnis sank um 51 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum! Dass man dies in einen Aufwärtstrend ummünzt, würde in jedem anderen Fall einen Aufschrei der Empörung auslösen.

Hinzu kommt: Diese deutlich schlechtere Halbjahresergebnis wurde erneut nur durch die Sicherungswirkung der Garantie erreicht. Der Forderungsverzicht der Garantiegeber Hamburg und Schleswig-Holstein halbierte sich auf 289 (573) Mio. Euro und steuerte so 284 Mio. Euro weniger zum Ergebnis bei als noch im ersten Halbjahr des Vorjahres. Die Garantiegebühren erhöhten sich im ersten Halbjahr auf -468 (-358) Mio. Euro, davon allein 235 Mio. Euro Grundprämie. Insgesamt hat die HSH Nordbank seit 2009 nunmehr 2,5 Mrd. Euro in bar an die Garantiegeber Hamburg und Schleswig-Holstein gezahlt. Auf Konzernebene verblieb somit insgesamt ein Vorsteuergewinn in Höhe von 222 Mio. Euro (432 Mio. Euro), nach Steuern schlugen 147 (301) Mio. Euro zu Buche. Die Erlöse aus der Kernbank allein schaffen es nicht, auch nur ansatzweise den gewaltigen Kostenblock tragen zu können. Wenn man den Halbjahresbericht so liest, wird einem klar, dass weder die Bank selbst noch die Eigentümer die Zukunft der Bank in den eigenen Händen haben!

Für diesen Herbst wird die abschließende Entscheidung der EU-Kommission zur Garantieerhöhung erwartet. Sorgen macht, dass laut Zwischenlagebericht die EU-Kommission die Wiederaufstockung der Garantie als neuerliche staatliche Beihilfe sieht. Heißt also faktisch, dass alles nochmals auf den Prüfstand kommt! Das hatten wir schon mal bei der West-LB. Das Ergebnis war die Zerschlagung der Bank. Auch da ging es um ein zweites Beihilfeverfahren, nachdem bereits in 2003 die WestLB in einem ersten Beihilfeverfahren zu Lasten der landeseigenen Wohnungsförderungsanstalt WfA gerettet werden musste. Ohne Gegenleistung wurde damals die überaus wertvolle WFA von dem Land NRW zur Stützung in die WestLB eingebracht.

Die Wirtschaftsberatung Bain & Company, die die Eigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein zur Beratung herangezogen haben, stellt zur  aktuellen Situation der Bank fest,  dass der derzeitige »status quo« nicht tragfähig ist. Um überhaupt eine abschließende Genehmigung zur Garantieerhöhung zu bekommen, ist eine positive Beurteilung der EU-Kommission zur Anerkennung der »Lebensfähigkeit«, also Existenzfähigkeit aus eigener Kraft, der Bank, zentrales Kriterium. Problem hierbei ist die aktuelle Planung der Bank mit Namen »MFP 6.0«. Diese sei deutlich schlechter als die bankeigene Vorplanung »5.0«. Und schon diese 5.0 ist der EU-Kommission vorgelegt und als »nicht tragfähig« zurückgewiesen worden! Wirklich ein nettes Management und ein überzeugendes Beispiel von »Transparenz«. Die EU-Kommission hält von der bankeigenen Darstellung der mittelfristigen Unternehmensfortführung (going Concern) nichts und gleichwohl lautet die Botschaft: »Die Gespräche im Zuge des laufenden Beihilfeverfahrens – in erster Linie zwischen den mehrheitlichen Eigentümern der HSH Nordbank, Hamburg und Schleswig-Holstein, sowie der EU-Kommission – gestalten sich intensiv und konstruktiv. Eine Grundsatzeinigung wird im Einklang mit den Ländereignern bis Herbst 2015 angestrebt.« Selten wird die Öffentlichkeit so unverschämt hinter die Tanne geführt.

Die Bain-Companie beschreibt im Gutachten drei Szenarien, die als Zielmodelle definiert sind:
1. Abspaltung großer Altlast-Portfolien zu Buchwerten (bereits »verworfen«);
2. Abwicklung nach SAG Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (»nicht präferiert«);
3. Stabilisierung der Bank durch Verkauf von Problemassets zu Marktwerten (ggf. Übernahme durch HSH Finanzfonds AöR) sowie Anpassung bzw. Reduzierung der Garantievergütung.
Offensichtlich wird von den Eigentümern Hamburg und Schleswig-Holstein das Szenario 3 als gangbarer Weg angesehen.

Hierzu schlägt Bain vor:
1. Kapitalerhöhung zur Eigenkapitalstärkung in Höhe der Vergütung gegen Aktienbezug;
2. erweiterter Besserungsschein bzgl. Grundprämie;
3. Anhebung der Kapitalschutzklausel (erweiterter Besserungsschein bzgl. der Zusatzprämie);
4. Abspaltung / Verkauf von Schrottassets.

Zudem soll die HSH Finanzfonds AöR, kurz FinFo, (im Eigentum der Länder FHH und SH) als Instrument genutzt werden und entsprechende Kredite aufnehmen dürfen. Bain beschreibt hier drei Möglichkeiten:
1. Die HSH Finanzfonds AöR nimmt Geld direkt am Kapitalmarkt auf.
2. Die Länder nehmen Geld am Markt auf und reichen an FinFo als Fremdkapital durch.
3. Die Länder nehmen Geld am Markt auf und reichen an FinFo als Eigenkapital durch.

Zu 1. und 2. ist nach Bain eine Änderung des Staatsvertrages zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein notwendig. Die vorgeschlagene Variante drei wäre bei den aktuellen Haushaltslagen sowohl in Hamburg als auch insbesondere in Schleswig-Holstein eine unfassbar provozierende Maßnahme, die höchstwahrscheinlich und zu recht bei Bekanntwerden eine Riesenflut an Protesten auslösen würde. Wird doch an allen Ecken und Kanten, insbesondere im Sozialbereich sowie in der öffentlichen Infrastruktur, gespart und gekürzt.

Die Bank selbst beschreibt in ihrem Halbjahresbericht sehr deutlich, dass »in allen Fällen« eine deutliche Entlastung von problematischen Altlasten erreicht werden muss. Eine schwere Bürde für die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Die aktuelle Summe aus den beiden Portfolien mit den schlechten Risiken (Forbearance sowie NPL-Portfolio) betragen nach wie vor deutlich mehr als 30 Mrd. Euro. Zudem nehmen sich dem Halbjahresbericht zufolge die Aufsichtsbehörden nochmals alle Jahresabschlüsse seit der Fusion zur HSH Nordbank in 2003 im Rahmen von erneuten Betriebsprüfungen vor. 2003 wurden die Landesbanken von Hamburg und Schleswig-Holstein zur HSH-Nordbank zusammengelegt. Bei all den Machenschaften und kriminellen Handlungen der ehemaligen HSH-Nordbank-Vorstände dürften hierbei wirtschaftliche Risiken zu Tage gefördert werden.

Als Beispiele zu nennen wären hier die Cum-Ex-Geschäfte der Bank, die Beihilfen zur Steuerhinterziehung, die permanenten Bilanz»verschönerungen«, die Kreislaufgeschäfte, die Töchter und Briefkastenfirmen in nahezu allen Steuerparadiesen.

Hamburg hatte (wie auch Schleswig-Holstein) zur Aufarbeitung der Ursachen der HSH-Schieflage extra einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen. Mit guten Argumenten hätte man das Kapitel »HSH-Nordbank« bereits im Zuge der Finanzkrise für die Länder beenden können. Mögliche Wege sind von uns bereits in unserem Buch »Tatort HSH-Nordbank«1 sowie in unserem Minderheitenbericht »HSH Nordbank: Schieflagen« beschrieben worden. Gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft hat man mit dem KO-Argument »Systemrelevanz« wahnsinnige Summen an Steuergeldern zur Rettung in die Bank gepumpt und damit schlichtweg versenkt, und zwar ohne wirklich wissen zu wollen, wie hoch die monetären Risiken in der Bank eigentlich sind. Nachdem die Bank nunmehr alle werthaltigen Assets zur Deckung des nach wie vor defizitären operativen Geschäftes ohne irgendeine Kontrolle verwenden durfte, brennt es nun erneut lichterloh. Die Bank steckt erneut in einer Sackgasse und kommt weder vor noch zurück. Außer dem restlichen Bodensatz ist nämlich alles verpulvert.

Auf der Pressekonferenz der Bank hat  von Oesterreich nach vielen wolkigen Beschreibungen Klartext geredet: Es gäbe keinen Markt für Schiffskredite und deshalb müssten die Länder diese der Bank abkaufen. Er erwarte eine Entscheidung noch in diesem Herbst – vermutlich in dem Wissen oder der Ahnung, dass das Ergebnis aus der abschließenden Genehmigung zur Garantieerhöhung niemals gut ausgehen kann.

Offensichtlich werden die Banker unruhig und somit deutlicher. Liebend gern würde man den Eigentümern den von den hochbezahlten Bankern selbst verursachten Asset-Schrott vor die Tür kippen. Offensichtlich meint von Oesterreich, ein wenig mehr öffentlich kundgetaner Druck könne da nicht schaden. Im Interesse der Länder und damit von Steuergeldern bleibt nur zu hoffen, dass die Banker dieses Mal mit ihren lächerlichen und aberwitzigen Drohkulissen nicht durchkommen werden.

Gutachter Bain hat daher die eigentliche Lösung parat: »Nichts zu tun ist keine Option, die das Vermögensinteresse der Länder wahrt.« Da unter dem Strich kein Vermögen vorhanden ist, geht es letztlich um die Frage, bei welcher Variante die Verlustrisiken am geringsten sind.

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