Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

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3. November 2014 Joachim Bischoff

Wahlkampf zur Bürgerschaft: Sozialdemokratie und Linkspartei

In Hamburg haben die Parteien die Vorbereitungen für die Bürgerschaftswahl fast abgeschlossen. Die Sozialdemokraten nominierten erwartungsgemäß den amtierenden Ersten Bürgermeister, Olaf Scholz, als Spitzenkandidat. Das Stimmergebnis für Scholz und die Beratungen des Parteitages spiegelten die vorherrschende innerparteiliche Kultur. Die Delegierten wählten den SPD-Chef fast einstimmig mit 331 von 340 gültigen Stimmen auf Platz eins der Landesliste, das entspricht einer Zustimmung von 97,4%.

Bei der SPD gibt es vor den Wahlen einen ordentlichen Rechenschaftsbericht über die abgelaufene Wahlperiode von der bisherigen Nummer 1. Zentrales Wahlversprechen der SPD war nach der Bewältigung von Altlasten wie der Elbphilharmonie, der HSH Nordbank und vielen kleineren politischen Fehlgriffen (Schließung des Altonaer Museums), dass die politische Praxis in der Hansestadt wieder berechenbar werden sollte. »Wir haben ordentlich regiert und uns um die Dinge gekümmert: meistens leise, sorgfältig und mit Präzision«, sagte Bürgermeister Scholz. Neben den Aufräumarbeiten stellte Scholz als wichtige Errungenschaften heraus: die Abschaffung der Studiengebühren, die Beitragsfreiheit für den fünfstündigen Kita-Besuch und den Ausbau von Ganztagsschulen. Im Prinzip hätte er auch noch die Verstetigung der universitären Ausbildungssituation anführen können.

Angesichts der martialischen Sparoperationen des vorangegangenen CDU-Senate stellt Scholz auch den Übergang zur Schuldenbremse in der Hansestadt als Erfolgsgeschichte dar. Es sei gelungen, das Ausgabenwachstum mit Blick auf die Schuldenbremse zu begrenzen – »ohne martialische Auftritte«. Die leise Sparpolitik zeigt sich »nur« beim Substanzverfall der öffentlichen Infrastruktur und den rückläufigen Investitionen sowie bei einem kontinuierlichen Abbau des öffentlichen Personals. Sicherlich hätten diese Schattenseiten genauer betrachtet gehört und auch die zwiespältigen Ergebnisse der Wohnungspolitik wären durchaus ein Feld, das eine selbstkritische Aufarbeitung verdient hätte.

Zur Überheblichkeit gehört die Aussage: »Wir werden diese Stadt weiter regieren und haben einen Plan für die Zukunft.« Auf welchem Kurs Hamburg künftig weiter segeln wird, ist wohl auch in der SPD nicht klar. Selbst dem neoliberalen Hamburger Abendblatt ist die mangelnde Zukunftsorientierung aufgefallen: »Bei allem Verständnis für die zur Schau gestellte innerparteiliche Harmonie: Die Hamburger SPD, die sich über Jahrzehnte durch große Diskussionen über wichtige Streitfragen der Stadt und des Landes ausgezeichnet hat, leistet sich mittlerweile eine beinahe beängstigende Debattenarmut.« Ganz in diesem Sinne war die Aussprache auf dem Parteitag ein wirkliches »Highlight«: Nur drei Sozialdemokraten meldeten sich zu Wort.

Olaf Scholz hat das weitere Terrain abgesteckt: »Es spricht wenig dafür, dass der FDP der Sprung in die Bürgerschaft gelingen könnte. In den Umfragen bewegt sich die Partei auf Bundesebene deutlich unterhalb der Fünf-Prozent-Marke. Und in Hamburg haben die Liberalen auch Probleme untereinander, um es zurückhaltend zu formulieren.« Daher wünscht sich der SPD-Spitzenkandidat »ein starkes Mandat für die SPD. Und falls es nicht reicht, allein zu regieren, fragen wir als Erstes die Grünen. Bei der letzten Wahl haben die Wahlberechtigten daraus den Schluss gezogen, der SPD ein so starkes Mandat zu erteilen, dass sie keinen Koalitionspartner braucht.«

Dass der Bürgermeister Scholz keine Verständnis für die linke Opposition hat, ist bekannt. Da die Linkspartei selbst auf eine kritische Auseinandersetzung mit der Regierungspolitik keinen großen Wert legt und auch keine Schritte einer möglichen Reformpolitik benannt hat, konnte Scholz lakonisch festhalten: In Hamburg stellt sich die Frage nach einer Regierungsbeteiligung der Linken jedenfalls nicht. Der Grund: »Das passt nicht.« Immerhin deutet Scholz an, dass die Frage auf Bundesebene ein wenig komplizierter ist: »Alles, was wir von der Partei Die Linke hören, spricht nicht dafür, dass sie sich nach der nächsten Wahl an einer Bundesregierung beteiligen kann.«

Auch die Linkspartei rüstet sich für den Wahlkampf zur Bürgerschaft. Die Auseinandersetzung um eine Reformpolitik in der Hansestadt ist ihre Sache nicht. Eine starke Mehrheit sieht auch keinen Sinn darin, sich mit der Konstellation in Thüringen politisch auseinanderzusetzen. Dabei steht in Thüringen exemplarisch die weitere Veränderung des politischen Kräfteverhältnisses in der »Berliner Republik« zur Debatte. Der gesellschaftspolitische Stillstand droht angesichts des Aufschwungs der Rechtspopulisten von der AfD zum Dauerzustand für die Republik zu werden. Und auch in Hamburg zeichnet sich dieser Umschlag von Stagnation und Stillstand in eine rechtspopulistische Konjunktur ab. Diese Bewegungslosigkeit kann in einer Rechtsverschiebung in münden – verbunden mit einer strukturellen Unmöglichkeit, überhaupt noch Mehrheiten links der Mitte zu erreichen. Dies zu verhindern ist eine Verantwortung aller Kräfte der linken Mitte.

In Thüringen will der Spitzenkandidat der Linkspartei bei der Landtagswahl, Bodo Ramelow, mit SPD und Grünen über eine Koalition verhandeln, um Ministerpräsident zu werden. Er wäre der erste Regierungschef der Linkspartei in einem Bundesland. Und es geht um eine Alternative zum Rechtskurs. Die Thüringer SPD hält derzeit eine Mitgliederbefragung über ein rot-rot-grünes Bündnis ab. Wenn sich die SPD in Thüringen dabei mehrheitlich für ein solches Bündnis ausspricht, könnte Ramelow – derzeit Fraktionschef der Linken im Landtag – im Dezember in Erfurt zum Regierungschef gewählt werden. Eine rot-rot-grüne Koalition hätte im Thüringer Landtag nur eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme.

Die Linkspartei in Hamburg greift aus dieser Gesamtkonstellation den nicht unwichtigen Punkt heraus: Stimmt das Lager progressiver Kräfte in Thüringen darin überein, dass die Beschäftigung mit der DDR (»War die DDR ein Unrechtsstaat?«) ein unverzichtbarer Bestandteil der aktuellen politischen Kultur sein muss? Der oberste Freiheitskämpfer der Republik, Bundespräsident Gauck, greift durchaus parteiisch in den Prozess der Regierungsbildung ein ( und »fällt« damit, so Heribert Prantl, »aus der Rolle«), indem er öffentlich fragt: »Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?« Es gebe Teile in der Linkspartei, bei denen er »wie viele andere auch« Probleme habe, dieses Vertrauen zu entwickeln, sagte der Bundespräsident.

Die Frage nach dem Unrechtsstaat wurde auf dem Hamburger Parteitag auch den BewerberInnen für einen aussichtsreichen Platz auf der Landesliste gestellt. Ob die durchaus disparaten Antworten für die Wahlentscheidungen relevant wurden, lässt sich nicht sagen. Fakt ist jedenfalls, dass die durchaus diskussionsfreudigen Delegierten der Linkspartei darin übereinstimmten, dass es keinen politischen Sinn macht, der hanseatischen Sozialdemokratie eine Debatte um die Inhalte einer Reformpolitik in Hamburg aufzuzwingen. Die unterschiedlichen Entwürfe und Begründungen eines Wahlprogramms für die Bürgerschaft wurden so gründlich hin und her gewälzt, dass es nicht zur Verabschiedung der Inhalte kam, mit denen die Partei in die Wahlauseinandersetzung ziehen will. Dieses Programm zielt für die Hansestadt auf eine fundamentalistische Veränderung. Die naheliegenden Fragen des Ausbaus der öffentlichen Infrastruktur, der Verminderung von Armut in der reichen Stadt, der Verbesserung der Lebens- und Wohnverhältnisse sowie der Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ergeben sich aus der Bestimmung der sozialistischen Ziele im Grunde von selbst. Dies soll auf einem Sonderparteitag weiter debattiert werden.

Die Delegierten der Linkspartei nahmen sich einen Tag Zeit, um ihre Landesliste für die Wahl zu beschließen. Schon bei der Besetzung der Spitzenkandidatur wurden erneut die tiefen Differenzen zwischen den politischen Strömungen sichtbar. Die amtierende Fraktionsvorsitzende Heyenn erhielt mit 55% ein wenig überzeugendes Ergebnis. Nach einer Bedenkzeit teilte die Fraktionsvorsitzende mit, dass sie die Linken im Wahlkampf anführen wolle. »Ich bin überzeugt worden, dass ich eine große Verantwortung für die Partei habe.« »Wir sind eine anstrengende Partei«, kommentierte Norbert Hackbusch, der auf den Listenplatz zwei gewählt wurde. Auch für die folgenden Listenplätze gab es strittige Auseinandersetzungen. Gewählt wurden schließlich: Dora Heyenn (Wandsbek), Norbert Hackbusch (Altona), Sabine Boeddinghaus (Harburg), Mehmet Yildiz (Mitte), Heike Sudmann (Altona), Stephan Jersch (Bergedorf) . Cansu Özdemir (Altona), Martin Dolzer (Mitte), Zaklin Nastic (Eimsbüttel) und Konstantin Braun (Altona).

Dora Heyenn hatte in ihrer Bewerbungsrede vor »der Spaltung unserer Partei« gewarnt, die sich wenig später in ihrem Ergebnis niederschlug. Es gibt reichlich Felder, auf denen die Linkspartei in den letzten Jahren durchaus Spuren in ihrer politischen Arbeit hinterlassen hat. Es hätte deshalb durchaus Sinn gemacht, die Zielvorstellung einer solidarischen Stadt oder einer Stadt für alle mit den Ergebnissen der leisen oder sparsamen SPD-Regierungspolitik zu konfrontieren. Aber auch bei den Themen Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, der Lebenssituation der ALGII-Betroffenen, der Ausbreitung von Armut und Obdachlosigkeit, dem nach wie vor völlig unzureichenden Wohnungsangebot und den dramatischen Mietpreissteigerungen hätten sich reichlich Punkte für die Entwicklung einer nicht sozialdemokratischen Reformpolitik angeboten.

Leider werden Verlauf und Ergebnisse dieses Parteitages wohl eher nicht zur Überbrückung dieser Spaltung beitragen. Da außerdem das Team der Bürgerschaftsabgeordneten, das zur Wiederwahl vorgeschlagen wurde, Abgänge aufweist, werden sich die Führungsorgane auf die Herstellung eines überzeugenden politischen Auftritts konzentrieren müssen. Die Linkspartei zieht gespalten und programmatisch zerfleddert in einen Wahlkampf, der vermutlich von den Themen der rechtspopulistischen AfD geprägt sein wird. Die Linkspartei sollte sich auf ihre Stärken besinnen und versuchen dem sich abzeichnenden Rechtstrend in der Hansestadt entgegen zu treten.

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