Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

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»Institut für Staatspolitik«
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Karl Marx war fünf mal in Hamburg?

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Linke Kommunalpolitik –
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ISBN 978-3-89965-578-0

27. Februar 2015 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Revolution und Aufstand in der linken Parlamentsfraktion?

Die Hamburger Presse wundert sich nicht nur über die Personalquerelen bei den Christdemokraten nach der grandiosen Wahlniederlage der CDU, auch die Linkspartei liefert Gesprächsstoff: »Linke wollen nach Wahlsieg Fraktionschefin loswerden. Doppelspitze gefordert. Heyenn sei zu sehr im Fokus«1. Der alarmistische Ton ist fragwürdig: 11 Abgeordnete der Linksfraktion entscheiden über eine Veränderung ihrer Führung.

In der Tat sind 8,5% für die Linkspartei in einem westlichen Bundesland ein bemerkenswertes Ergebnis. Aber Wahlsieg ? – Diese Übertreibung kann man noch durchgehen lassen angesichts der beständig genährten Erwartung, dass die LINKE – auch wegen eigener Fehler - Gefahr lief unter der 5% Sperrklausel zu bleiben. Dass die LINKE –Fraktion wie Partei – in Hamburg seit Monaten um einen innerparteilichen Kompromiss ringt, ist zudem medial ausgebreitet worden. Die Überraschung einer Veränderung im Fraktionsvorstand ist Heuchelei; hält man sich an die Berichterstattung in der regionalen Presse, liegt hier lediglich eine Zuspitzung einer längeren Entwicklung vor.

Die Linkspartei hat den Wahlkampf zur Bürgerschaft nach einem furiosen Winterwahlkampf mit einem sehr guten Ergebnis von 8,5% abgeschlossen und ist mit 11 Abgeordneten im Landesparlament vertreten. Über das Erscheinungsbild der Partei wurde von Design-Profis festgehalten: »Egal ob bei Bundestags-, Landtags- oder Bürgerschaftswahlen – Plakatkampagnen der LINKEN entsprechen vom Typus her denen einer Protestpartei: in der Themensetzung stets fordernd, was zuweilen von zahlreichen Ausrufezeichen begleitet wird. Gegenpositionen zu beziehen, etwa gegen Hungerlöhne oder gegen die Rente ab 67 gehört zur Programmatik. 47 mal wird im Wahlprogramm zur Bürgerschaftswahl von dem Wort ›gegen‹ Gebrauch gemacht, und damit öfter als in den Programmen der vier anderen Parteien zusammen. Die Typographie bläst ins gleiche Horn und unterstreicht dank fetten, eng geschnittenen Buchstaben die Angriffslust. Schwarz-Rot-Weiß gehört seit langem zur DNA der Partei.« 2

Und doch enthielt die Kampagne auch ein überraschendes und neues Element: Erstmals setzte die Partei im zurückliegenden Wahlkampf auf etwas, was sie bislang als »Personenkult« ablehnte: Heyenn warb auf einem Großplakat mit ihrem Gesicht für »Mehr Menschlichkeit, das muss schon drin sein«.

In der Tat war dieser »Focus auf Heyenn« innerparteilich umstritten und der Entscheidungsprozess zu dieser ungewohnten Personalisierung ein Hürdenlauf. Denn Hamburgs LINKE zogen zwar erneut mit ihrer Fraktionsvorsitzenden Dora Heyenn als Spitzenkandidatin in den Bürgerschaftswahlkampf. Eine Landesvertreterversammlung wählte die 65-Jährige auf Listenplatz eins. Allerdings bekam sie nur 55% der Stimmen. Die im Focus stehende Kandidatin nahm diese parteipolitische Klatsche nach einer Bedenkzeit mit der Bemerkung an: »Everybody's darling is everybody's Depp. Das war ich nie.«

Die Spitzenkandidatin war mithin nie unumstritten, von einem überzeugenden Votum und einer parteipolitisch breiten Unterstützung konnte keine Rede sein. Seit längerem prägen politische und personelle Differenzen das Parteileben. Von »Zerrissenheit« ist auch in der Presse die Rede, von kalkulierten Abstrafungen, von einem insgesamt desolaten Zustand. Allerdings war von einer Aufarbeitung und Auflösung der Konflikte auch nach der »Klatsche« nichts zu sehen. Die Fraktionsvorsitzende Heyenn hat ihre Form der Verarbeitung: »Stattdessen wollten sie mir mal einen kleinen Dämpfer verpassen, nach dem Motto: Dora kriegt alles, Dora hat alles, Dora bekommt ständig Aufmerksamkeit«, erklärte Heyenn. Heyenn verzieh, nahm die Wahl an und wandte das drohende Führungschaos noch einmal ab.

Und: Heyenn machte weiter wie bisher, trotz des heftigen Gegenwinds der auf den Wahlparteitag sichtbar wurde. Die Hamburger Presse machte in ihrer Betrachtungen mehrere Strömungen der Kritik aus. Für die einen ist sie eine Sozialdemokratin, deren Politik im Hamburger Landesverband entschieden kritisiert wird. Für die anderen ist sie linksradikal, weil sie mit einer studentischen Gruppierung (»Liste links«) zusammenarbeitet, die sich sowohl an den Hochschulen als auch in der Partei durch ihr harsches und engstirniges Auftreten einen entsprechenden Ruf erworben hat. Eine dritte Gruppe bezeichnet die Fraktionsvorsitzende als autoritär, weil sie politisch Debatten  durch wenig transparente, einsame Entscheidungen beendet. Ein weiterer Aspekt der Kritik zielt auf ihre Führungsschwäche, weil sie die konzeptionelle Ausrichtung und das Profil von Fraktion und Partei dem Zufall überlässt.

Kurzum: Die Nominierung mit 55% war »nicht die beste Voraussetzung« für einen Wahlkampf. Auch die Fortsetzung der bisherigen politischen Praxis kann man mit Blick auf den engen Zeitrahmen verteidigen. Aber Heyenn geht weiter: »Ich bin so. Ich gehe gleich wieder zur Sache über«, sagt sie. Der Parteitag sei ein reinigendes Gewitter gewesen. Seither hätten sich einige bei ihr entschuldigt. »Jetzt sind wieder alle ganz lieb zu mir«, sagt die frühere Biologie- und Chemielehrerin. Mit dem »lieb sein« ist das so ein e Sache. In einer Partei gibt es politische Strömungen und in der Linkspartei ist deren Existenz in der Satzung verankert.

Dass es trotz Transparenz und Satzungsrechten dennoch nicht klappt mit der friedlichen Koexistenz erklärt sie so: »Das ist eine alte linke Krankheit. Macht man das Komma an der falschen Stelle, ist man schon ein Verräter.« Vielleicht liege es aber auch an der Sozialisation der Partei, mutmaßt Heyenn. Die setzt sich aus diversen Strömungen zusammen, ist ein Sammelbecken für Sozialdemokraten, Sozialisten, Kommunisten, Antikapitalisten, Grüne. Lebendig nennt Heyenn die stets wiederkehrende Herausforderung, alle Ansätze unter einen Hut zu bekommen. Zermürbend nennen es andere.

Heyenn selbst fühlt sich keiner der Strömungen zugehörig. Es missfällt ihr, dass genau diese zu einem beherrschenden Moment in ihrer Partei geworden sind. Bei Personalien oder Anträgen werde nicht nach Können oder Inhalten, sondern nach Zugehörigkeit zu einem Lager entschieden. »Statt sich untereinander zu bekämpfen, sollte sich meine Partei lieber mit dem politischen Gegner auseinandersetzen.«

Nach der Wahl tut die Hamburger Presse – trotz dieser Vorgeschichte – überrascht: »Vier Monate nach der nur knappen Nominierung zur Spitzenkandidatin verpassen die Linken ihrer Fraktionschefin Dora Heyenn den nächsten schweren Dämpfer. Christiane Schneider und Norbert Hackbusch fordern überraschend die Einführung einer Doppelspitze und damit indirekt die Ablösung Heyenns.« Diese medialen Krokodilstränen sind überzogen und wenig glaubwürdig. In der vergrößerten Fraktion der Linkspartei geht es um einen kleinen Schritt in Richtung einer personellen und inhaltlichen Neuausrichtung, die mit Blick auf die sich abzeichnende rot-grüne Koalition, die Rechtswende der hanseatischen CDU und eine rechtspopulistische AfD-Fraktion in der Bürgerschaft unaufschiebbar ist.

Außerdem: Die Spitzenkandidatin Heyenn hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, dass sie nicht die gesamte Legislaturperiode über an der Spitze der Fraktion stehen werde, also ist eine Doppelspitze eine mögliche Form des Übergangs. Die Forderung nach einer Doppelspitze ist weder besonders kühn noch ein »Bruch zum Wahlkampf«, wo diese Forderung nicht zur Sprache gekommen sei.

[1] So der gleichlautende Tenor in Abendblatt und Welt vom 27.2 15
[2] Zwischen Konsens und Aufbegehren – die Plakate zur Bürgerschaftswahl 2015 in Hamburg; www.designtagebuch.de/zwischen-konsens-und-aufbegehren-die-plakate-zur-buergerschaftswahl-2015-in-hamburg/

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