Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

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9. Oktober 2015 Joachim Bischoff / Bernhard Müller / Norbert Weber

Olympia in Hamburg 2024 – ein »großer Schub«?

Der Stadtstaat Hamburg hat sich beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) um die Ausrichtung des Sport-Großereignisses 2024 beworben. Die Unterstützung durch das Nationale Olympische Komitee war überzeugend. Doch es gibt in und außerhalb der Sportverbände und sportbegeisterten BürgerInnen auch Skepsis und Kritik.

Im August 2015 hatte der Hamburger Landesrechnungshof vor den finanziellen Risiken der Olympiabewerbung gewarnt. Es gäbe aktuell keine verlässlichen Kostenschätzungen und die in der Hansestadt vorgesehene Volksabstimmung über die Olympia-Beteiligung habe eigentlich keine Grundlage – damit sei die Abstimmung wertlos und ein programmierter Substanzverlust für die Bürgerbeteiligung. Eine Vertragsunterzeichnung durch die rot-grüne Regierungskoalition sei mit Blick auf die hohe Schuldenlast und die laufende Haushaltskonsolidierung (Schuldenbremse) ein nicht tragbares Risiko.

Am 29. November 2015 sollen die BürgerInnen der Hansestadt abstimmen, ob sie für Spiele in ihrer Stadt sind. Es muss eine einfache Mehrheit für die Austragung der Spiele her, zudem müssen 20% aller Wahlberechtigten mit »Ja« stimmen – in Hamburg sind das etwa 260.000 von 1,3 Mio. Wahlberechtigten. Durch den Druck, eine belastbare Grundlage für dieses Referendum zu schaffen, hat der Senat der Stadt jetzt eine Kostenschätzung vorgelegt.

In der offiziellen Ausarbeitung heißt es: »Für Olympiabegeisterte und Olympiaskeptiker gleichermaßen stellt sich die Frage, was die Spiele kosten und welchen Nutzen Hamburg haben wird. Fragen nach Kosten und Nutzen sind deshalb drängend, weil Deutschland und auch Hamburg in den vergangenen Jahren Großprojekte erlebt haben, die am Ende wesentlich teuer waren, als zu Beginn versprochen wurde. Auch für Kiel ist dies von Bedeutung, denn dort sollen die olympischen Segelwettbewerbe ausgetragen werden. Daher wird in diesem Bericht ebenfalls auf die Planungen und den Stand der Kostenermittlung in Kiel eingegangen werden.

Die Ursachen für massive Kostensteigerungen bei großen Vorhaben in der Vergangenheit sind vielfältig. Dem Wunsch zu einem sehr frühen Zeitpunkt die definitiven Kosten eines Vorhabens zu benennen, wurde bei denjenigen, die die Entscheidungen zu treffen hatten, häufig nachgekommen – auch um die Zustimmung zu fördern. Dabei wurde etwa die hinreichende Analyse von Planungsständen oder die Darstellung von Risiken und Unsicherheiten teilweise grob vernachlässigt. Sorgfalt wurde als Hindernis wahrgenommen und nicht als notwendiger Bestandteil solider Planung.«

Das Ergebnis ist also jetzt, dass einige Wochen vor dem Abstimmungstermin eine Kostenschätzung vorgelegt wird. In für den Bürgermeister und die politische Klasse charakteristischer Weise wird diese Selbstverständlichkeit in politisches Pathos gekleidet.

 

Scholz: Beste Olympia-Berechnung aller Zeiten

»Das ist die am besten durchgerechnete Olympiabewerbung aller Zeiten«, posaunt der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Olaf Scholz. Die Stadt trage maximal 200 Mio. Euro pro Jahr, insgesamt 1,2 Mrd. Euro verteilt auf sechs Jahre. Es sei keine Neuverschuldung nötig, zudem müsse keine Einrichtung geschlossen werden. Wie hoch der Anteil des Bundes ist, stehe noch nicht fest. Sollte der Bund aber nicht mindestens sechs Mrd. Euro beisteuern, würde sich Hamburg zurückziehen. »Ich würde keine Bewerbung abgeben, wenn es die Finanzkraft der Stadt überfordert«, erklärte Scholz. Die Abstimmung mit dem Bund soll spätestens bis Februar 2016 abgeschlossen sein.

Das Ergebnis wird anschaulich im Vergleich mit London präsentiert. »Die Olympischen und Paralympischen Spiele in London 2012 waren ein großes Erlebnis. Die Stadt und das Land profitieren noch Jahre danach von dem großen Schub. Die für Hamburg geplanten Kosten liegen in der Phase A unter denen für London, wie folgende Tabelle zeigt.«

 

Die politisch mündige BürgerInnen erhalten also die Botschaft: Das Gesamtbudget von 11,22 Mrd. Euro – in Preisen von 2024 – liegt deutlich unter dem vergleichbaren Budget von London. Die Wahlbevölkerung kann also einem durch dieses Projekt ausgelösten »Schub« zustimmen.

Neben den öffentlichen Kosten von 11,22 Mrd. Euro müssen noch die privatkapitalistischen Nutznießer oder Investoren mit Ausgaben eingerechnet werden. 3,636 Mrd. Euro sollen von privaten Investoren für den Bau des Medienzentrums und des olympischen Dorfes aufgebracht werden. Diese Einrichtungen werden später weiter genutzt. Knapp 15 Mrd. Euro würden also Olympische und Paralympische Spiele 2024 in Hamburg alles in allem kosten.

Zu einem guten Drittel sind die Kosten der Spiele durch Einnahmen gedeckt. An erster Stelle stehen die verschiedenen Einnahmen des Budgets des Organisationskomitees (OCOG) mit insgesamt 3.395 Mio. Euro (2024). Die zweite wesentliche Einnahmeposition sind die Erlöse aus dem Verkauf der Grundstücke in der künftigen OlympiaCity. Bis zu den Spielen werden 352 Mio. Euro (2024) erwartet und nach den Spielen weitere 557 Mio. Euro (2024).

 

Stellt man also die Ausgaben und Einnahmen gegenüber, kommt man unter dem Strich auf die Größenordnung für den öffentlichen Sektor.

 

Der Bürgermeister macht also für die BürgerInnen eine einfache Rechnung auf: Es bleiben für die SteuerzahlerInnen 7,4 Mrd. Euro als Belastung übrig, verteilt auf die Jahre 2018 bis 2023, dem geplanten Ende der olympischen Baumaßnahmen. Hamburg will davon 1,2 Mrd. Euro tragen, 6,2 Mrd. Euro soll der Bund für den nationalen Ruhm beisteuern.

Nach dem möglichen Zuschlag gegenüber den Mitbewerbern Paris, Los Angeles, Rom und Budapest wird der Hamburger Haushalt ab 2018 bis 2024 mit 200 Mio. Euro pro Jahr belastet. »200 Millionen pro Jahr sind unsere absolute Obergrenze«, sagte der Erste Bürgermeister. Neben diesem kleineren Deckungsbeitrag soll der Löwenanteil der Kosten nach Hamburger Verständnis aus Berlin kommen – über sechs Mrd. Euro.

Die Abstimmung mit dem Bund über die Kosten soll »ohne Druck und Eile«, so Scholz, bis Februar 2016 abgeschlossen sein. Vermutlich dürfen die BürgerInnen daher abstimmen, ohne dass die Zusage aus Berlin vorlegt. Aber dieser kleine Mangel macht nichts. Denn ohne eine Bundesbeteiligung an den Olympia-Kosten in dieser Höhe würde Hamburg die Bewerbung nicht abgeben, sondern zurückziehen. Und deshalb – so Scholz – werde der Bund »sich unsere Unterlagen noch zehnmal durchschauen.«

 

Der große Schub oder mehr als »nice to have«

Die Rahmenbedingungen für den »großen Schub« sind klar. Die Größenordnung habe sich aus zwei Rahmenbedingungen ergeben. Zum einen die von 2020 an geltende Schuldenbremse, die man einhalten werde: »Keine neuen Schulden«, versprach der Bürgermeister mit Blick auf die Olympia-Bewerbung. Und zweitens dürften die Spiele »nicht zulasten der Dinge, die uns wichtig sind«, also nicht weniger Kitas, Schulen, Straßen und andere Infrastruktureinrichtungen. Mit anderen Worten: Olympia, so Scholz, »muss etwas sein, was wir uns zusätzlich leisten«.

Ein wenig Mogelei ist freilich in dem aufwendigen Rechenwerk versteckt. Selbstverständlich geht die Verlagerung der Hafenbetriebe auf andere Flächen mit höheren Pachten und Mieten einher. Nicht nur die Bevölkerung wird über die höheren Mietaufwendungen und den massiven Ausbau der Hotelkapazitäten ihrer Stadt wenig erfreut sein, auch die Hafenwirtschaft sieht die höheren Aufwendungen für die Gewerbeflächen mit Sorgen. Zumal diese Einnahmen heute kaum ausreichen, um die Unterhaltung des Hafens und seine Modernisierung zu finanzieren.

Wenn diese höheren Pachten und Mieten – wie vorgesehen – zur Finanzierung des Sportevents herangezogen werden, wird eben doch ein höherer Beitrag aus dem öffentlichen Etat aufgebracht werden müssen. Auch bei den Einnahmen aus Grundstücksverkäufen hat sich Hamburg bislang stets erheblich verrechnet. Aber wenn man nicht kleinlich ist, dann kommen eben zu den 1,2 Mrd. Euro Ausgaben aus dem Hamburger Haushalt noch ein möglicher Betrag von mindestens ca. 100 Mio. Euro hinzu, weil die Pachten im Hafen und Grundstücksverkäufe nicht korrekt taxiert wurden.

Aber dies sind ja Petitessen. Entscheidend ist: Hamburg erhält für nicht einmal 1,5 Mrd. Euro den »großen Schub«. Und worin besteht der Hauptnutzen? »Wir brauchen Wachstumsprozesse, um Flüchtlingen eine Zukunft in unserer Stadt zu bieten«, deklamiert der SPD-Politiker. Das größte Sportfest der Welt soll zum Motor dieser Entwicklung werden: »Wir brauchen den olympischen Boom, um ihnen eine Perspektive zu schaffen.«

Zugestanden: Dieser Schub – Hamburg wird eine europäische Eventmetropole – ist vielleicht belastbarer als der Wahnsinn, mit einer überteuerten Elbphilharmonie in die Reihe der internationalen Kulturmetropolen vorstoßen zu wollen. Auch der gigantische Schuldenberg in Sachen HSH Nordbank muss die politische Klasse nicht abschrecken, erneut ein wahnwitziges Risiko einzugehen. Aber ein »großer Schub«?

Na ja: Unterstellen wir mal, dass sorgfältig gerechnet wurde und Hamburg Olympia »nur« mit 1,2 Mrd. Euro belasten würde. Allerdings ließe sich mit diesem Geld auch viel Nützlicheres unternehmen, z.B. den Wohnungsbau und vor allem den öffentlichen Wohnungsbau voranbringen und die Stadt mit einem modernen Verkehrsnetz ausstatten. Dies würde – zusammen mit einer zukunftsorientierten Investitionspolitik – der Bevölkerung, einschließlich den schutzsuchenden NeubürgerInnen, tatsächlich belastbare Zukunftsperspektiven eröffnen.

1,2 Mrd. Euro und ein wenig mehr, um als Gegenleistung einen »großen Schub« zu erhalten. Dies ist ein wenig modernes Märchen. Zu diesem Märchen gehört im Übrigen auch die Behauptung, ab 2018 jährlich 200 Mio. Euro aufbringen zu können, ohne die Schuldenbremse zu verletzen und ohne Einschnitte bei den »Dingen, die uns wichtig sind«, auszukommen.

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