Der rechte Rand

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9. Oktober 2013 Knut Persson

Inside HSH Nordbank AG - Prozessbericht

Zur Zeit läuft am Sievekingsplatz in Hamburg ein Prozess ab, der tiefe Einblicke in die Finanzkrise, speziell der HSH Nordbank erlaubt. Abhängigkeiten und Zwänge werden deutlich. Im Zentrum der Betrachtung während des Prozesses steht ein undurchschaubares Geschäft namens „Omega 55“.

Die Richter versuchen verzweifelt die Strukturen des Deals zu analysierten und unter dem Gesichtspunkt der „Untreue in einem besonders schweren Falle“ juristisch darzustellen. Angeklagt ist der Vorstand der HSH zum Zeitpunkt nach Oktober 2007. Der Zeitpunkt ist wichtig, da einer der sechs Anklagten, Nonnenmacher, erst ab dem 1.10.2007 im Vorstand mitarbeitet als Vorstand „Finanzen“. Der Deal selber ist Mitte 2007 angedacht worden, dann aber zwischen dem 14.12. bis 21.12.07 abgewickelt worden.

SPV Omega 55 – Rekonstruktion eines Dramas

Omega 55: Hierbei handelt es sich um ein Geschäft das Ende 2007 zusammen von BNP Paribas und HSH Nordbank AG über das SPV Omega Capital (SPV = Special Purpose Vehicle, eine „Zweckgesellschaft“ oder Schattenbank) abgewickelt wurde. Hierbei wurde ein CDO (Collateralized Debt Obligation) als „synthetische Single Tranch“ von der HSH Nordbank AG an das SPV (scheinbar) verkauft und damit problematische Wertpapiere ausgelagert, sodass sie die Bilanz nicht mehr belasteten. Bei dem CDO’s handelt es sich um ein Portfolio aus hypothekenbesicherten Wertpapieren, Junk Bonds oder Krediten. Eine Sonderform sind "synthetische" CDOs: Dabei besitzt die SPV bzw. das Portfolio keine hypothekenbesicherten Wertpapiere, Anleihen oder Kredite, sondern deren Finanzderivate, in der Regel sogenannte Credit Default Swaps (CDS). Also: nicht der Kredit oder das Wertpapier ist im CDO sondern ein Derivat davon, z.B. ein Swap ist im CDO. Normalerweise werden CDO in mehreren Tranchen weiterverkauft. Bei Omega 55 war es lediglich eine Tranche (=Single Tranch).

Bei dem Geschäft und dem Prozess vor dem Strafgericht der Freien und Hansestadt Hamburg geht es darum, wie Risiken ausgelagert und dann zurückgenommen werden. Außerdem ist die Unterscheidung von regulatorischen Risiken und ökonomischen Risiken wichtig. Daran beißt sich das Gericht die Zähne aus. In dem Prozess werden weitere Details des Deals verständlich.

1.Schritt

BNP Paribas und HSH Nordbank AG geben dem SPV Omega 55 einen Kredit von zusammen 4,83 Mrd EUR – pro Bank also 2,415 Mrd EUR.


Bei der HSH Nordbank AG wird das Omega 55 Geschäft lediglich durch diesen Kredit in der Bilanz auf der Aktivseite zum 31.12.2007 abgebildet.

2. Schritt

SPV Omega 55 kauft von der HSH Nordbank AG einen synthetischen Single Tranch CDO in Höhe von  4,83 Mrd EUR. Hierbei handelt es sich um eine RWA-Entlastungsaktion seitens HSH Nordbank. Die kritischen Papiere befinden sich jetzt nicht mehr in der Bilanz der HSH Nordbank AG. Dort stehen auf der Aktiva-Seite der Bilanz  Kreditforderungen gegen SPV Omega 55 in Höhe von 2,415 Mrd EUR - außerdem haben sich die flüssigen Mittel der Bank um 2,415 Mrd EUR erhöht. Die Bilanz der SPV Omega 55 sieht jetzt so aus:



Dieses Geschäft wird in der FIG (Financial Institution Group) London vorbereitet. Stephen Paul schreibt die „Credit Application“ (Projektpapier). Grundlage für die Credit Application ist ein sogenanntes „Term Sheet“, welches die Eckdaten von Omega 55 beschreibt. Schack als Vorgesetzter überarbeitet das  Papier und reicht es an Marty Sanchez (Niederlassungsleiter - „Global Head London“) weiter. Sanchez gibt das Papier an den Vorstand in Hamburg/Kiel weiter (14.12.07). Die Rechtsabteilung der HSH Nordbank AG bestätigt die „regulatorische“ Entlastung der Bilanz. Dass durch den „Side Letter“ die Bilanz ökonomisch keineswegs entlastet wird, weiß die Rechtsabteilung offensichtlich nicht. Am 21.12.07 unterschreiben fünf Vorstände (Berger als Vorsitzender, Visker, Strauss, Nonnenmacher nicht, Rieck und Friedrich). Nonnenmacher unterschreibt am 29.12.07. Hier entsteht Klärungsbedarf. Nonnenmacher weilt zu diesem Zeitpunkt mit seiner Frau in Usedom. Die Verträge sind zu diesem Zeitpunkt fertig.

Der Vorteil der FIG London war, dass sie nicht den permanenten Kontrollen und Sonderprüfungen der BaFin unterlagen. Weshalb man neben den CIP-Portfolio (CIP = Credit Investment Portfolio) auch ein FIG-Portfolio in London führte. London gilt ohnehin in Finanzkreisen als „Off-Shore“, wo man die kritischen Papiere problemlos auslagern konnte. Im CIP Portfolio lagerte man die weniger belasteten Wertpapiere – im FIG die „belasteten“. Das CIP Portfolio wurde in Luxemburg geführt.

Ein Zeuge in der Gerichtsverhandlung vor der Strafkammer in Hamburg weist darauf hin, dass der CDO „nicht finalisiert“ wurde in der „Credit Application“, sondern lediglich durch „Parameter“ bestimmt wurde. Mit „Parameter“ ist im wesentlichen die Ratingeinstufung „AAA“ und „AA“ gemeint. Faktisch lag damit zum Zeitpunkt der Erstellung der Credit Application (14.12.) nicht fest, was letztendlich an Papieren im CDO lag. Der Zeuge betont weiterhin, dass mit diesem Geschäft ein Gewinn von 3 Mill EUR/Jahr erwartet wurde.

„Finalisiert“ wurden dann die Geschäfte mit Papieren von Lehman Brother, Washington Mutual und Isländischen Banken. Vorgeblich mit „AAA“ bewertet durch die Ratingagenturen.

Des weiteren gibt die HSH Nordbank dem „SPV Omega 55“ eine „Liquiditäts-Fazilität“ in Höhe von 300 Mio EUR. Dadurch liegt eine Risikorückverlagerung vor. Dafür erhält die HSH Nordbank Zinserträge. Die Liquiditäts-Fazilität wird Anfang 2008 „gezogen“ in Höhe von 60 Mio EUR, später dann noch einmal 37 Mio EUR. Der Grund hierfür ist, dass der CDO an Wert verliert. Die Folge ist, dass die HSH Nordbank AG Liquidität verspielt ( = HSH zahlt an Omega 55). Der Krisenfall. Diese Konstellation ist offensichtlich in der HSH Nordbank (Kiel/Hamburg) unzureichend in Betracht gezogen worden. Die Liquiditäts-Fazilität ist nur außerbilanziell erfasst worden. Das Risiko, welches zweifelsfrei von der Fazilität ausging fand also in der Bilanz keinen Niederschlag.

Friedrich betonte am ersten Verhandlungstag, dass der CDO bis heute „gute“ Erträge erwirtschaftet. Nonnenmacher betonte abwiegelnd im Untersuchungsausschuss, dass die Omega 55 RWA-Entlastung eigentlich nicht nötig gewesen sei, man hätte auch so die regulatorischen Anforderungen auch ohne Omega 55 in der Bilanz zum 31.12.2007 erreicht. Im Übrigen sei er voll und ganz damit beschäftigt gewesen, die Umstellung der Bilanz von HGB auf IFRS zum 31.12.2007 (letztmöglicher Termin, eigentlich hätte das schon zum 31.12.2005 geschehen müssen) zu bewerkstelligen. Nonnenmacher hält den Vorwurf der Untreue für „absurd“. Außerdem wirft er der Staatsanwaltschaft in einer Erklärung vor Gericht am 2.9.13 vor, er hätte sich angeboten bei seiner fünf-tätigen Befragung durch die Staatsanwaltschaft Ihnen das Geschäft „Omega 55“ zu erklären. Man nahm das Angebot seitens der Staatsanwaltschaft nicht an, sagt Nonnenmacher vor Gericht.

Der CDO soll über sieben Jahre laufen mit jederzeitigen Kündigungsrecht. In einem „Side-Letter“ läßt sich BNP Paribas aber bestätigen, dass der CDO im nächsten Jahr (2008) zurückgenommen wird.

Der „A“ Teil

Das Gericht bezeichnet das obige Geschäft als „B1“ und „B2“, obwohl es drei Teile sind: 1. Kreditvergabe der HSH an Omega, 2. Auslagerung der RWA an Omega und 3. Liquiditäts-Fazilität von HSH an Omega.

Der „A Teil“ ist eine Besicherung von Wertpieren der BNP Paribas durch die HSH Nordbank AG durch CDS (Credit Default Swap – ein faktisches Versicherungsgeschäft als Swap – juristisch aber kein Versicherungsgeschäft). Die BNP Paribas  hatte die Papiere in der „Omega Capital Funding“ abgelegt. Die HSH besicherte die Papiere via Mathias LTD, Jersey (gegründet 2007). Mathias LTD wird nicht vollkonsolidiert (auch nicht „At Equity“) bei der HSH Nordbank AG („unwesentliches“ Engagement – IFRS läßt diese Möglichkeit zu).  Der Geschäftsbericht der HSH weist für 2007 elf (!) Tochtergesellschaften in Jersey auf die vollkonsolidiert sind. Davon sind 10 Zweckgesellschaften/Spezialfonds. Die zwölfte fehlt.

In der Anzeige von Strate wird Mathias LTD als Sicherungsnehmer des CDS angeben – was aber wenig Sinn macht. Mathias LTD ist Sicherungsgeber. Das Volumen des zu besichernden Portfolios der BNP Paribas beträgt 2.003 Mill EUR. Die Einnahmen von dem CDS werden an HSH Nordbank weitergereicht.

Obwohl kein direkter Zusammenhang mit der RWA-Auslagerung zu erkennen ist, wird die CDS-Versicherung in der Credit Application (Projektpapier) zusammen mit der RWA-Transaktion behandelt.

Eine Zeugin bezeichnet die Verbindung des A-Teils mit dem B-Teil als „politisch“. Und sie musste es schließlich wissen; war sie doch eng mit dem Omega 55 Deal befasst.

Weder der CDS-Kontrakt des A-Teils,
mit dem HSH via Mathias LTD ein Portfolio der BNP Paribas absicherte noch die Liquiditätsfazilität im Zusammenhang mit dem CDO (=RWA Entlastung) werden in der Bilanz der HSH Nordbank AG abgebildet. Und sollten es wohl auch nicht. Beides diente dazu die regulatorischen Risiken auszulagern – die ökonomischen Risiken für die HSH blieben bestehen. Der Kontraktpartner BNP Paribas wollte die ökonomischen Risiken nicht übernehmen. Das ist wohl verständlich.

Der Schwachpunkt 1

Die o.g. Zeugin ist aus einem weiteren Grund wichtig. Als Koordinatorin des NPNM – Prozesses in der HSH Nordbank Kiel/Hamburg muss sie die Freigabe des Geschäftes einleiten. Im NPNM-Prozess (New Products New Markets) werden alle Produkte durchgeschleust, geprüft und koordiniert, die nicht standardisiert sind und sich nicht in der HSH – Produktdatenbank befinden. Das Omega 55 Geschäft ist ein solches. Es musste geprüft werden und dann erst freigegeben werden. Sie fasst die Ergebnisse in einem schriftlichen „NPNM - Votum“ zusammen und stellt fest, dass dem NPNM-Team die Dokumente zum B-Teil (CDO Entlastung) nicht vorlagen. Das Geschäft Omega 55 dürfte demnach nur im A-Teil (CDS-Kontrakt) freigegeben werden.

Daneben werden noch andere irritierende Details deutlich. Zusammen reisen zwei Zeuginnen (Mitarbeiterinnen der HSH) nach London um sich mit Sanchez/Duffy darüber zu beraten. Sie werden nicht empfangen von den beiden. Man stelle sich die Situation in einem Großraumbüro – das war die FIG-London Branch – vor. Man steht im Großraumbüro, kommt aus der Zentrale und wird nicht empfangen. Der Deal war demnach geplatzt. Nicht aber bei der HSH und der BaFin Ende 2007 als der Finanz-Markt zusammenbrechen drohte.

Die Verteidigung erkannten die Gefahr, die von dieser Aussage ausging und grillten die Hauptzeugin der Anklage intensiv und versuchten ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Nun war das mit der Zeugin folgendermaßen: Hochkompetent (Aussage des Vorgesetzten verlesen von der Verteidigung), hochintelligent und unverschämt gut aussehend – und dann blond. Es endete in einer peinlichen Niederlage der Verteidigung.

Der Schwachpunkt 2

Die Prüfung eines CDO ist eine wahrhaft überwältigende Aufgabe. Zitat: „ Die Anzahl der Seiten, die ein CDO-Investor lesen ... lesen müsste, um den dahinter liegenden Vertrag zu verstehen, belaufen sich auf 30.300 Seiten“. Ein CDO selber hat „nur“ einen Umfang von 300 Seiten (Analysen des IDW Nr 90, Demary/Schuster: „Die Neuordnung der Finanzmärkte“, S.43). Es handelte sich bei Omega 55 aber um ein „synthetisches“ Produkt. Das dürfte die Einschätzung des CDO wohl schwieriger gestalten. Kein Wunder, dass dem NPNM-Team die Papiere nicht vorlagen. Sie hätten innerhalb von zwei Wochen geprüft werden müssen.

Dieser Sachverhalt spielte im Prozess selber bisher keine Rolle und ist auch nicht zur Sprache gekommen.

Warren Buffets Einschätzung hier lägen „Massenvernichtungswaffen“ im Finanzsektor vor, wird auch unter diesen Gesichtspunkten deutlich. Buffet sagte dieses 2003! Inzwischen ist er bei Goldman Sachs eingestiegen (2013). Er ist somit in Besitz der Massenvernichtungswaffen. Buffet ist einer der reichsten Männer der Welt.

Der Schwachpunkt 3

Fast nebenbei wird ein weiterer Zeuge nach der Kompetenz der HSH Nordbank AG insbesondere im Verhältnis zu BNP Paribas bezüglich internationaler Finanzgeschäfte befragt. Er sucht sichtlich nach einer diplomatischen Antwort. Heraus kommt dann folgendes: BNP sei zwar nicht Top aber „oberer Bereich“, die HSH Nordbank sei darunter einzustufen: Man hätte nicht viele Leute bei der HSH Nordbank für das internationale Geschäft. Wie gesagt, es war eine sehr diplomatische Antwort.

Der Deal

Ab Mitte 2007 versucht die HSH Nordbank problematische Wertpapiere verstärkt zu verkaufen oder - wenn es nicht mehr anders ging - auszulagern. Seit Mitte 2007 ist die Finanzkrise soweit fortgeschritten, dass Banken untereinander sich kaum noch Geld leihen. Allerdings ist man 2007 noch der Meinung, es sei „nur“ eine Finanzkrise und die Krise würde auf die Realwirtschaft nicht durchschlagen. Nonnenmacher äußert sich entsprechend vor Gericht.

Zwanzig Banken kommen in Betracht für Auslagerungen („RWA-Transaktion“). „Es gibt einen Markt für Auslagerungen“, sagt einer der Zeugen vor Gericht und betont die Normalität des Vorgehens. Es gäbe da ja einen Markt. Mit 10-12 Banken wird dann verhandelt. U.a. mit der Deutschen Bank, Goldman Sachs und Stanley Morgan. Da letztendlich Immobilienpapiere - bzw. Derivate davon - sich im CDO befinden, kennt man die Risiken. Schließlich wussten sie um den Zusammenbruch des Immobiliensektors in den USA seit Mitte 2006 und war bestens informiert. Alle lehnen den Deal mit der HSH Nordbank dankend ab. Zum Schluss wird man sich einig mit BNP Paribas. Es ist ungeklärt, weshalb sich BNP Paribas breitschlagen ließ, den Deal zu realisieren. Die Zeit drängt. Es ist Anfang Dezember.

Der Deal wird über London abgewickelt. Der Arm der BaFin und der Deutschen Bundesbank reicht nicht so weit. Und schon gar nicht nach Jersey, einer Insel im Ärmel-Kanal. Jersey gehört „eigentlich“ zu Großbritannien aber nicht zur EU. Es gibt da Regelungen in der EU. Auf Jersey sitzt das „Vehicle“ Mathias LTD.

Der Deal war so verschachtelt und komplex, dass selbst Mitarbeiter in der Bank Probleme damit hatten, von den Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern ganz zu schweigen. Und ob alle Angeklagten den Deal verstanden, ist auch fraglich. Die bisherigen Befragungen der Mitarbeiter der Bank weisen deutlich darauf hin. Alle Mitarbeiter wussten allerdings worum es ging – jedenfalls die Führungskräfte: um die Existenz der Bank. Es ist auch offensichtlich, dass einige Mitarbeiter die Dramatik der Situation nicht verstanden oder – besser – nicht verstehen wollten. Eine Mitarbeiterin – dann Zeugin im Prozess - wird von Nonnenmacher gefeuert – der Vorgesetzte von ihr wirft ihr vor, dass die BaFin sich über sie beschwert hätte.

Die Bafin – und die Weltfinanzkrise

Die BaFin soll mit der Bundesbank die Stabilität des Finanzsektors durch Prüfungen, Regelungen (z.B. MaRisk = Mindestanforderungen an das Risikomanagement u.v.m.) und  Aufsicht gewährleisten. Die BaFin war zu diesem Zeitpunkt (2007) in einer Zwickmühle: im ersten Halbjahr hatte sie die HSH Nordbank geprüft und ein verheerendes Gutachten erstellt. Die Schließung der Bank drohte. Es brannte bei der HSH Nordbank AG lichterloh – aber nicht nur dort, sondern überall in der westlichen Welt. Ein scharfes und konsequentes Vorgehen gegen die HSH Nordbank hätte schon gegen Ende 2007 zu weiteren unangenehmen Konsequenzen in der Finanzbranche führen können. Also beließ die BaFin es mit verschärfter Aufsicht und gezielten Wegsehen bei der HSH Nordbank. Überhaupt war das Zusammenspiel von Aufsichtsbehörden (in Deutschland: BaFin und Deutsche Bundesbank) und der weltweiten Zentralbanken darauf gerichtet, die Finanzbranche zu stabilisieren bis zu dem Punkt (September 2008), wo die Regierung der USA die Nerven verlor und Lehman Brothers pleite gehen ließen. An der Spitze des Finanzministeriums der USA („Treasury“) steht seit 2006 mit Hank Paulson 2008 ein ehemaliger CEO von Goldman Sachs.

Hank Paulsen spielt in der Weltfinanzkrise die tragische Person. In seinem Buch „On the Brink – Inside the Race to Stop the Collapse oft the Global Financial System“ („Am Abgrund“, 2010) beschreibt er die Brisanz, wenn Lehman Brother kollabiert. Er kennt die Risiken - wie kein anderer! George W. Bush und er verlieren im Herbst 2008 die Nerven und lassen Lehman pleitegehen, getrieben von der Tea Party (u.a. von Sahra Palin, Kandidatin als Vizepräsident für die Republikaner) und ihrer Aussage: keine Steuergelder für strauchelnde Banken.

Andere Kommentatoren sagen, Paulsen hätte – mit Goldman immer noch verbandelt – einen lästigen Konkurrenten in den Abgrund getrieben. Das ist aber wenig plausibel: Paulsen war Finanzminister der USA und kannte die vermutlichen Auswirkungen einer Pleite von Lehman auf den gesamten Finanzmarkt. Man müsste jetzt unterstellen, dass er die Interessen von Goldman höher ansetzte als die Interessen der USA. Aber das ist dem Duo Bush/Paulsen getrieben von Palin nun wirklich nicht zuzumuten.

Das war ein Jahr später: 2008. Ab Mitte 2007 war der Markt bereits am Abgrund, wie auch einige Zeugen (Mitarbeiter der HSH) im HSH Nordbank AG – Prozess berichten.

Das Fazit

Das Fazit ist alles andere als leicht zu ziehen. Es begann in der verantwortungslosen Vergabe von Hypotheken in den USA und endete September 2008 zunächst in einer Wahlschlacht bei der Obama gewann (20.1.09). In deren Verlauf das Duo Bush/Paulsen getrieben von Palin die Nerven verloren und Lehman Pleite gehen ließ. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Undurchschaubare Finanzprodukte, organisatorische Mängel in der Bank, fehlendes Know-How bei der HSH Nordbank sind/waren die andere Seite. Man schätzte die Risiken falsch ein, um Rendite zu machen - nicht nur bei der HSH sondern offensichtlich im gesamten Finanzsektor. Das Spielchen „risikoadjustierte Zinsen“ geht inzwischen munter weiter.

In Hamburg vor dem Strafgericht steht die persönliche Verantwortung von sechs Angeklagten zur Debatte. Der Ausgang mag ja ungewiss sein. Vor Gericht und auf hoher See ist man verloren, alter Juristen-Schnack. Bestraft werden auf alle Fälle die Bürger, die die Zeche zu zahlen haben.

Der Prozess geht weiter.

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