Der rechte Rand

der rechte rand.
Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

Einblicke in 20 Jahre
»Institut für Staatspolitik«
184 Seiten | Fotos | EUR 12.80
ISBN 978-3-96488-074-1

Friedrich Engels zum 200.

Reiner Rhefus
Friedrich Engels im Wuppertal
Auf den Spuren des Denkers, Machers und Revolutionärs im »deutschen Manchester«
184 Seiten | in Farbe | Hardcover | zahlreiche Fotos | EUR 16.80
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Lebenswertes Hamburg?

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Lebenswertes Hamburg
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Karl Marx war fünf mal in Hamburg?

Jürgen Bönig
Karl Marx in Hamburg
Der Produktionsprozess des »Kapital«
184 Seiten | durchgängig farbig | Festeinband | viele bislang unveröffentlichte Fotos und historische Abbildungen | EUR 19.80
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Starke Einführung

Claudia Leonhardt/Felicitas Weck
Linke Kommunalpolitik –
Eine Einführung

Für Einsteiger*innen und Fortgeschrittene
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Crashkurs Kommune 12
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ISBN 978-3-89965-799-9

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DenkMal Friedhof Ohlsdorf
33 Stätten der Erinnerung und Mahnung | Herausgegeben von der Willi-Bredel-Gesellschaft – Geschichtswerkstatt e.V.
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Das etwas andere Kochbuch

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Kleine Weltküche
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ISBN 978-3-89965-578-0

14. Juni 2012 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Haushaltssanierung: die Wiederholung einer grundfalschen Politik

Schon seit längerer Zeit hat der mit absoluter Mehrheit regierende SPD-Senat die Bevölkerung gewarnt: Mit dem kommenden Doppelhaushalt für die Jahre 2013/2014 werde die Austeritätspolitik erst ihre volle Wirksamkeit erhalten. Die Stunde der Grausamkeiten ist jetzt da.

Bürgermeister Scholz hat den Politiksprech seit langem perfektioniert. Der kommende Doppelhaushalt »markiert einen weiteren Schritt auf das Ziel hin, den Hamburger Haushalt zu konsolidieren. Das haben wir den Hamburgerinnen und Hamburgern vor der Wahl versprochen«.

Na ja, mit dem Versprechen ist das so eine Sache: Im Wahlkampf war eher der Eindruck erweckt worden, dass die Sozialdemokratie mit den vorhandenen Steuereinnahmen sorgsamer umgehen würden und »nice to have«-Projekte wie Elbphilharmonie, HCU-Universität, Luxus-Verkehrsprojekte wie die U4 etc. der Vergangenheit angehören.

Jetzt wird der Austeritätskurs deutlich handgreiflicher. Scholz, Tschentscher & Co. sind sich sicher, dass diese Rosskur keine wahlpolitischen Konsequenzen haben wird. Warum? Der Finanzsenator verweist auf das Beispiel Griechenland: »Ich glaube es hängt sehr viel damit zusammen, dass wir alle wahrgenommen haben, was in Griechenland passiert ist«, so Tschentscher. Die Menschen hätten jetzt registriert, dass ein Staat pleite sein kann.

Soweit wie Griechenland sei man in Hamburg noch nicht, man habe ja erst 25 Mrd. Euro Schulen, aber man sei auf dem besten Weg. »Wir zahlen schon jetzt 1 Mrd. Euro Zinsen jedes Jahr aus dem Betriebshaushalt.« Man müsse sich bereits verschulden, um Zinsen bezahlen zu können. Und man habe ein negatives Eigenkapital von 1,5 Mrd. Euro und müsste nach den Regeln, die für Privathaushalte und Unternehmen gelten, Insolvenz anmelden. »Wir sind im kaufmännischen Sinne pleite«, sagt er.

Jetzt müsse man Dinge abarbeiten, die in den letzten Jahrzehnten liegen geblieben seien. Wie macht man das gut, wie macht man das schlecht? Fest stehe, diesmal müsse es gelingen, denn die Schuldenbremse werde jetzt mit Stimmen von SPD, Grünen und FDP in der Verfassung festgeschrieben. Bis 2020 müssten viele Dinge aus dem operativen Haushalt anders bewältigt werden und neben den Schulden habe man noch zwei Baustellen, die bedacht werden müssen: einen großen allgemeinen Sanierungsbedarf in der Stadt und »eine unglaubliche Pensionslast, die vor uns liegt und für die es keine Rückstellungen gibt«.

Der SPD-Senat setzt sich ehrgeizige Ziele. So soll der Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben bereits für 2019 »angestrebt werden«. Es gibt also – Griechenland, Spanien etc. lassen grüßen – durchaus Handlungsspielräume. Auf diese politischen Handlungsspielräume verweist auch der »Vorsichtsabschlag« im Haushaltsplanentwurf für 2013/2014 und in der Finanzplanung bis 2016: Da in den kommenden Jahren auch konjunkturelle Rückschläge nicht ausgeschlossen sind, hat der Senat in seine Planung bis 2016 bei den Steuereinnahmen der nächsten Jahre schon einmal Abschläge in Höhe von insgesamt 950 Mio. Euro eingerechnet.

Das erhöht den Spardruck und lässt keinerlei Spielräume für eigentlich unverzichtbare Maßnahmen in der Arbeitsmarkt- und Investitionspolitik. Seit langem zielt allerdings die Kritik an der Senatspolitik darauf, dass das »gewaltsame Sparen« volkswirtschaftlich oder für die Regionalpolitik Blödsinn ist, weil der Senat damit – siehe die südlichen Krisenstaaten – das In-die-Krise-hineinsparen wiederholt.

Der Mai-Steuerschätzung zufolge rechnet der Senat für das Jahr 2013 mit Einnahmen in Höhe von knapp 9,2 Mrd. Euro. Im Jahr darauf sollen es fast 9,6 Mrd. Euro sein. »Die aufgrund der guten Konjunktur überdurchschnittlichen Steuereinnahmen werden nicht für zusätzliche Ausgaben der Behörden, sondern zum Abbau des Haushaltsdefizits eingesetzt«, betonte der Finanzsenator. Gute Konjunktur ist nicht im Selbstlauf zu haben und wenn man keine aktive Konjunkturpolitik betreibt, muss man einen »Vorsichtabschlag« vornehmen.

Hat der Senator auch mal ernsthaft darüber nachgedacht, dass bei den Hamburger Steuereinnahmen – ähnlich wie in Griechenland etc. – eine systematische Steuerflucht und Steuerhinterziehung existiert? Erst wenn die öffentlichen Strukturen marode sind, erinnern sich die politischen Kräfte daran, dass der Steuervollzug eine ernstzunehmende öffentliche Aufgabe ist. Bis dahin lässt man sich lieber auf lächerliche Ideen wie die »Kultur- und Tourismustaxe« ein. Aber bei all diesen »Spielräumen« bleibt bei der neoliberalen Sozialdemokratie das Credo: Es gibt keine Alternative.

Was also wird kommen? Das im vergangenen Jahr beschlossene Finanzkonzept des Senats mit einer Begrenzung des jährlichen Ausgabenwachstums auf unter 1% wird zur Richtschnur des politischen Handelns. Die bereinigten Gesamtausgaben werden im Jahr 2013 auf rund 11,8 Mrd. Euro und im Jahr 2014 auf rund 11,9 Mrd. Euro festgelegt.

Diese Logik wird – wie bei Scholz & Co üblich – in einen Politiksprech gekleidet. »Wir konsolidieren durch die Begrenzung des Ausgabenwachstums auf ein Prozent. Und wir investieren in Hamburgs Zukunft: in Krippen und Kindertagesstätten, in kleinere Klassen, ganztägige Betreuung und den Wohnungsbau – also in die Bereiche, die aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger besonders wichtig sind.«

Dies ist eine pure Verhöhnung der BürgerInnen und hat mit Klarheit überhaupt nichts zu tun. Die so genannte Schwerpunktsetzung wird durch einen massiven Stellenabbau im öffentlichen Bereich gegenfinanziert. Rund drei Viertel des Haushalts liegen fest und steigen jährlich um rund 2% und mehr. Das verbleibende Viertel soll die Kürzungen tragen – d.h. faktisch das Personal und die Sozialleistungen.

Die BürgerInnen werden künftig noch stärker auf öffentliche Leistungen in der gewohnten Qualität verzichten müssen. Denn auch die dringend notwendige Sanierung der städtischen Infrastruktur bildet einen Schwerpunkt des Haushaltsplanentwurfs. Wichtige Positionen, die den Substanzerhalt betreffen – zum Beispiel die Instandsetzung von Straßen –, werden aufgestockt. Die Anstrengungen der Behörden zur Sanierung der Infrastruktur werden bis zur Einbringung des Haushalts in die Bürgerschaft in einem »Sanierungsprogramm Hamburg 2020« zusammenfassend dargestellt werden.

Der SPD-Senat stockt also auf, aber faktisch stehen noch weniger Finanzmittel für die angeschlagene Infrastruktur (Straßen, Grünanlagen, öffentliche Gebäude etc.) zur Verfügung. Und über die haushaltsrechtlich und verfassungspolitisch höchst bedenkliche Auslagerung von Aufgaben in Projekte »Öffentlich-Privater Partnerschaft« kein Wort. Es wird ein bitteres Erwachen geben.

Die ökonomische und finanzpolitische Doppelbödigkeit der neoliberalen SPD ist höchst unangenehm. Weitaus problematischer aber sind die demokratiepolitischen Folgen dieser bewussten Täuschung des Souveräns. Mit der vermeintlich alternativlosen Schuldenbremse wird die demokratische Willensbildung des Parlaments ausgehebelt. Selbst die SPD-Fraktion wird auf die Rolle des Abnickens reduziert und die Beratung in den Ausschüssen und dem Parlamentsplenum eine folgenlose politische Trockenübung.

Zusammengefasst: Spielräume werden bestritten und Politik wird auf das bloße Umsetzen einer Sanierungslinie reduziert. Die Bevölkerung wird über die Auswirkungen systematisch desinformiert. Zu Recht kritisieren Gewerkschaften und Sozialverbände die einseitige soziale Ausrichtung der Austeritätspolitik. So sollen im öffentlichen Dienst jährlich 250 Stellen wegfallen.

Wie wir kürzlich hörten, wird es aber bei 250 Arbeitsplätzen pro Jahr nicht bleiben. »Mittlerweile ist beim Sparen ein Zustand erreicht, der für die Bürger einen Qualitätsabbau erster Güte bedeutet«, konstatiert die ver.di-Frau Sieglinde Frieß. In den vergangenen 20 Jahren sei bereits jeder dritte Arbeitsplatz in der Hamburger Verwaltung gestrichen worden. Die Hilfen für Kinder und Familien würden auf ein Mindestmaß reduziert; die Beschäftigten arbeiteten an der Grenze ihrer Belastbarkeit.

Die sozialdemokratische Bürgerschaftsfraktion bietet ein trostloses Bild. »Es gibt keine Alternative« wird zur zentralen Gestaltungsmaxime.

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