Der rechte Rand

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des 21. Jahrhunderts

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31. August 2015 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Hamburg: Unseriöses Flickwerk bei der Finanzierung der Flüchtlingshilfe

Für die Hamburger SPD hat Fraktionschef Andreas Dressel eingeräumt: Bei der Flüchtlingsunterbringung laufe nicht alles perfekt. Aber es laufe deutlich besser als in vielen anderen Städten – auch dank vieler Ehrenamtlicher: »Solidarität wird hier ganz groß geschrieben, da kann Hamburg schon stolz auf sich sein«.

Kurzfristig sollten sich die Behörden und politische Führung der Hansestadt darauf einstellen, dass mehr als 30.000 Schutzsuchende im laufenden Jahr in Hamburg eine Unterstützung beantragen. Ca. 15.000 müssen in der Stadt auf mittlere Sicht eine Unterkunft finden und mit all dem versorgt werden, was ihnen eine Lebensperspektive gibt. Die anderen werden auf andere Bundesländer umverteilt.

Neben der Schaffung von winterfesten Quartieren und der medizinischen Betreuung kommt es auf die Integration in den Arbeitsmarkt, in Schule und Kita an. Und Hamburg werde mehr als 6.000 neue Wohnungen im Jahr bauen müssen. Dressel: »Diese Stadt kann es sich nicht erlauben, dass die Flüchtlinge – und viele von denen haben ja eine Bleibeperspektive – Jahrzehnte in Unterkünften leben. Sondern es muss uns gelingen, sie auch Schritt für Schritt in richtigen Wohnraum zu integrieren.«

Immerhin, die Dimension der Aufgaben durch die Fluchtbewegung scheint auch der SPD klar zu sein. »Auf Grund der weltpolitischen Entwicklungen und anderer Einflussfaktoren ist die Zahl der Flüchtlinge im Laufe des Jahres 2014 noch stärker gestiegen, als … voraussehbar war.«[1] Da die kapitalistischen Hauptländer bislang wenig überzeugende Initiativen zur Beendigung der Kriegs- und Bürgerkriegssituation im Nahen Osten und Afrika auf den Weg gebracht haben, außerdem die UN-Flüchtlingssituation UNHCR mit ihren Finanzressourcen für die Versorgung der Flüchtlinge und Vertriebenen am Ende ist, wird die Flucht- und Zuwanderungsbewegung nach Zentraleuropa und damit auch nach Deutschland in den nächsten Jahren anhalten. Hamburg wird sich wie die anderen Kommunen auf einen deutlichen Zuwachs von Vertriebenen und Flüchtlingen einstellen müssen.

In der Hansestadt stößt diese Herausforderung – im Unterschied zu anderen bundesdeutschen Kommunen – auf eine große Hilfsbereitschaft und Empathie seitens der Mehrheit der Bevölkerung. Trotzdem muss auch der Staat seinen Teil zur Lösung beitragen. Auf Grund der weiter gestiegenen Zuwanderungszahlen ergibt sich für die Haushaltsjahre 2015 und 2016 die Notwendigkeit, zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit der Senat eine angemessene Unterbringung, Versorgung und Integration der Flüchtlinge sicherstellen sowie die erforderlichen Investitionen für die öffentliche Unterbringung vornehmen kann.

Im Herbst 2014 hatte die Bürgerschaft auf Antrag des Senats folgenden Aufgabenrahmen für 2014 bewilligt:[2]

Ob die knapp 300 Mio. Euro für das Jahr 2014 ausgereicht haben, wissen wir noch nicht, da eine abschließende Abrechnung nicht vorliegt und – wegen der Umstellung auf die doppische Haushaltsführung – im Prinzip auch nur von Verwaltungsexperten erstellt werden kann. Fest steht jedoch: Die für das Jahr 2015 vorgesehenen 300 Mrd. Euro werden nicht reichen.

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Andreas Dressel, hat vom Bund deutlich mehr finanzielle Unterstützung für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen gefordert. Zur bisher für Hamburg aus Berlin vorgesehenen Summe in Höhe von 24 Mio. Euro sagte Dressel: »Das ist ein Witz.« Er forderte deutlich mehr Geld: »Mit substantiell meine ich einen dreistelligen Millionenbetrag, der dann auch im Hamburger Haushalt landet.«

In der Tat gibt es für die finanziellen Aufwendungen für Flüchtlinge keinen transparenten Modus zwischen Bundesebene, Bundesländern und Kommunen. Laut einer Regelung, die aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichtes beschlossen wurde, steht den Flüchtlingen eine gekürzte Leistung nach Hartz IV zu: 149 Euro Taschengeld + 82 Euro für ein Hygienepaket + 675 Euro für die Unterbringung. Die Kommunalpolitiker argumentieren auf dieser Grundlage mit einer, je nach regionalem Standard unterschiedlichen, Pauschale von 10.000 bis 12.000 Euro pro Kopf. Mit Blick auf das mitgebrachte Fluchtgepäck, die medizinische Verfassung und psychisch-traumatischen Belastungen kann man der Bild-Zeitung folgen: »Die Flüchtlinge werden ausreichend versorgt, aber mit Luxus hat das Ganze nichts zu tun.«

Der für Hamburg aufgestockte Bundeszuschuss von ca. 25 Mio. Euro für die Flüchtlinge – da hat Dressel Recht – ist also ein Witz. Es muss auf der anstehenden nationalen Flüchtlingskonferenz ein anderer, transparenter Modus der Verteilung der finanziellen Belastung gefunden werden.

Unabhängig davon fordert der Senat von der Bürgerschaft eine Aufstockung der Mittel füpr die Flüchtlingshilfe in diesem und im nächsten Jahr. Dabei geht es um zusätzliche Haushaltsmittel im Umfang von 239,2 Mio. Euro für das Jahr 2015 und 261,7 Mio. Euro für das Jahr 2016. Mit diesen Beträgen soll die Finanzierung von Mehrbedarfen in der Unterbringung, Betreuung und Integration von Flüchtlingen in Hamburg organisiert werden.

 

2015

2016

2015/2016

Betriebsmittel

206,5

245,8

452,3

Investitionen

32,7

15,9

48,7

Gesamt

239,2

261,7

501,0

 

 

 

 

Angaben in Mio. Euro

 

 

Bereits im Juni wurden 67,6 Mio. Euro für dringende Investitionsentscheidungen beschlossen. Insgesamt stehen damit rund 569 Mio. Euro zusätzliche Mittel für die Jahre 2015 und 2016 zur Verfügung.

Unterstellt die Bürgerschaft folgt diesem Antrag – von den Grünen sind hier wie in der Legislaturperiode insgesamt keine eigenständigen Überlegungen zu erwarten –, sollen die hanseatischen Behörden in diesem und nächsten Jahr jeweils mit ca. 600 Mio. Euro auskommen. Dies ist kein schlüssiges oder überzeugendes Konzept.

Erstens: Schon in diesem Jahr werden die Fallzahlen vermutlich deutlich höher ausfallen. Für das nächste Haushaltsjahr ist nicht mit einer Stagnation oder gar einem Rückgang der Schutzsuchenden zu rechnen. Es wäre politisch klüger von vorneherein mit höheren Etatansätzen zu operieren.

Zweitens: Die Gegenfinanzierung stützt sich nicht auf die höheren Steuereinnahmen oder die zu erwartenden Haushaltsüberschüsse. Während auf Bundesebene die günstige Einnahmesituation des Staates vermutlich zur Finanzierung herangezogen werden wird, sucht die Hamburger Regierungskoalition einen anderen Weg. So soll ein Teil der Mittel, wie schon bei der Aufstockung der Mittel für die Flüchtlingshilfe in 2014, aus gegenüber dem Haushaltsplan geringeren Zinszahlungen in 2015 (100 Mio. Euro) und 2016 (140 Mio. Euro) kommen. Weiter ist an die Auflösung von Reservemitteln (Globale Mehr- und Minderausgaben) gedacht. Da dies alles nicht ausreicht, sollen die Mehrkosten bei der Flüchtlingshilfe weiter durch eine längere, sehr kleinteilige Liste von Veränderungen und Umschichtungen bestehender Ansätze gegenfinanziert werden.

Dies erhöhte mit Sicherheit nicht die Transparenz der öffentlichen Finanzen – auch weil dabei mit unseriösen Annahmen gearbeitet wird. So soll beispielsweise der Zuschuss, den die Hamburger Vermögensholding HGV zum Verlustausgleich erhält, um 24 Mio. Euro herabgesetzt werden, also in etwa das Volumen des gerade erst erhöhten Bundeszuschusses. Die ist nun tatsächlich auch ein Witz, denn bei keinem relevanten öffentlichen Unternehmen zeichnet sich ein Rückgang der Verluste ab – denken wir an die Hochbahn, Bäderland oder die trostlose Entwicklung bei der HSH Nordbank.

Von den Umschichtungen ist kein Bereich ausgenommen, mit z.T. mehr als problematischen Folgen bei den Ausgabepositionen. Beispiel Arbeitsmarkt: In diesem seit Jahren heruntergekürzten Bereich – die regionale Arbeitsmarktpolitik existiert kaum mehr – sollen für das Jahr 2015 ca. 15 Mio. Euro umgeschichtet werden: »Die im Jahr 2015 geplanten Darlehensmittel zur Sicherung der Unterkunft SGB II werden um 3.825 Tsd. Euro reduziert. Mit den dann im Jahr 2015 noch zur Verfügung stehenden Mitteln lassen sich die erforderlichen Bedarfe abdecken. | Reduzierung der Transferleistungen in der Produktgruppe Arbeitsmarktpolitik (255.02) | Die für das Jahr 2015 geplanten Aufwendungen für Zuwendungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik werden um 12.000 Tsd. Euro reduziert. Die verbleibenden – im Rahmen der Bewirtschaftung – zur Verfügung stehenden Mittel erscheinen ausreichend, um die Bedarfe in diesem Aufgabenfeld abzudecken.« (DKS 21/1395; S.11)

So wird im Problembereich Arbeitsmarkt, bei dem durch die Flüchtlinge ein großer Mehrbedarf entsteht, einfach umgeschichtet: »Die BASFI hat sich mit der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter team.arbeit.hamburg darüber verständigt, im Rahmen des Projektes ›zur arbeitsmarktpolitischen Kompetenzermittlung, Beratung und Vermittlung von Flüchtlingen‹ die Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration für die Gruppe der Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive deutlich zu verbessern. Das geplante Projekt soll ab dem 1. Oktober 2015 den Kundenbetrieb an einem ausgewählten Standort aufnehmen. Hierdurch entstehen Investitionsbedarfe im Aufgabenbereich 255 sowie weitere Mehrbedarfe in der Produktgruppe 255.02 ›Arbeitsmarktpolitik‹ im Einzelplan 4.« (ebd., S. 9)

Ein anderes Beispiel ist das Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung – auch das wurde in den letzten Jahren so stark zusammengestrichen, dass es seinen Namen kaum noch verdient –, in dem 2,5 Mio. Euro eingespart werden sollen. (ebd., S. 12)

Mit dieser Logik wird mittelfristig die soziale Akzeptanz der gesellschaftlichen Anstrengung untergraben. Es macht wenig Sinn die vorgeschlagenen Umschichtungen im Einzelnen durchzugehen. Transparente Finanzierung sieht anders aus. Dies wäre auch und gerade im Fall der Flüchtlinge aber äußerst wichtig.

Drittens – die Alternative: Die erforderlichen Mittel werden durch die zusätzlichen Steuereinnahmen der Stadt in diesem Jahr finanziert. Diese Einnahmen müssen für diese bedeutende Aufgabe und Herausforderung genutzt werden dürfen! Der Senat wird aufgefordert, das Finanzrahmengesetz und andere gesetzliche Hemmnisse so zu verändern, dass zusätzliche Steuereinnahmen unter anderem für diese besondere Herausforderung genutzt werden können.

[1] Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft, Haushaltsjahre 2015 und 2016. Nachbewilligung nach § 35 LHO zum Haushalt 2015 und 2016, hier: Anpassung der Unterbringungskapazitäten sowie der finanziellen und personellen Ressourcen an die gestiegene Zahl von Flüchtlingen, DKS 21/1395 vom 25.8.2015, S. 2
[2] Vgl. DKS 20/12697 vom 23.-25.6.2014, S. 59

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