Der rechte Rand

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26. Juni 2013 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Hamburg und die Macht der Ratingagenturen

Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Banken, Staaten und Wertpapieren. Die weltweit einflussreichsten Ratingagenturen sind Standard & Poor's (S&P) sowie Moody's und Fitch. Ihre Kriterien sind umstritten. Jetzt bedient sich auch Hamburg dieser umstrittenen Institution.

Investoren wollen wissen: Wie kreditwürdig sind Staaten oder Firmen? Ihre Antworten auf diese Frage fassen Ratingagenturen in Noten wie AAA oder Caa zusammen. Sie bieten eine Orientierung für Investoren und können es Schuldnern schwer oder leicht machen, sich Geld zu leihen. Die damit verbundene Macht der führenden drei US-Agenturen ist vor allem auch deshalb umstritten, weil sie in der Finanzkrise versagten und hochriskante Papiere lange als relativ risikolose Anlagen einstuften.

Auch Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher hält eigentlich nicht viel von Ratingagenturen – vor allem seit der Finanzkrise 2008, wo die drei großen US-Rating-Agenturen mit ihrem Triple-A-Rating für Immobilienpakete, die sich später als Ramsch herausstellten, die Krise mit ausgelöst hätten. »Vorbehalte gegen die marktbeherrschende Stellung weniger großer Rating-Agenturen sind durchaus begründet und haben zur Forderung nach einer unabhängigen europäischen Rating-Agentur geführt«, sagte er. Leider ist der Aufbau einer europäischen und transparenten Ratingagentur gescheitert – wie so viele gute Überlegungen in der großen Finanz- und Bankenkrise.

2008 war Tschentscher noch der Vertreter einer Oppositionspartei, heute ist er verantwortlich für Hamburgs Finanzen. Und so wie er sich 2008 sicher noch nicht hat vorstellen können, eines Tages als Hamburger Sparkommissar durch die Gegend zu laufen, so wohl auch nicht, einmal auf die Dienstleistungen von Ratingagenturen zurückgreifen zu müssen.

Das aber hat er jetzt getan und die US-Ratingagentur Fitch beauftragt, Hamburgs finanzielle Situation zu bewerten, also eine Art Schulnote für ihre Kreditwürdigkeit zu  vergeben. Und das Ergebnis kann man mit Bestnote übersetzen. Triple A, so die branchenübliche Bezeichnung für ein Dreifach-A, bekommen nur Schuldner höchster Bonität, bei denen das Ausfallrisiko auch langfristig betrachtet gen null tendiert.

Was hilft die gute Bewertung nun der Stadt? Die für die Bewältigung des Schuldenbergs von 25 Mrd. Euro aufzubringenden Zinsen können gesenkt werden. Das Zinsniveau ist zwar schon historisch tief. So schlägt der Schuldendienst der Stadt (also Zinsen und Tilgung) im Jahr 2013 »nur« mit 1,024 Mrd. Euro zu Buche. Bei einem Haushalt von knapp zwölf Milliarden Euro sind das gut 8%. Zum Vergleich: 2010 mussten sogar 1,15 Mrd. Euro für den Schuldendienst aufgebracht werden, was damals gut 10% des Etats entsprach.

Mit der Fitch-Bewertung im Gepäck verspricht sich der Senator weitere Kostensenkungen. Denn Kreditnehmer mit einem guten Rating kommen günstiger an Geld. Und bei einer Kommune wie Hamburg, die Jahr für Jahr zwischen zwei und vier Milliarden Euro am Finanzmarkt aufnehmen muss – ganz überwiegend zur »Umschichtung« alter in neue Kredite –, können schon kleine Veränderungen hinter dem Komma große Einsparungen nach sich ziehen.

Ein Zahlenbeispiel: Unterstellen wir einmal, dass Hamburg für die Aufnahme eines Kredits von zwei Mrd. Euro bisher einen Zinssatz von 3,0% hat zahlen müssen, dann sind dafür jährlich 60 Mio. Euro aufzubringen. Bei einem günstigeren Zinssatz von z.B. 2,9% spart das bei 58 Mio. Euro jährlichen Zinsen zwei Millionen Euro. Dagegen müssen gerechnet werden die 40.000 Euro, die Fitch für seine Dienstleistung erhält (25.000 Euro Grundgebühr + 15.000 Euro, die vom aufgenommenen Kreditvolumen von 2-4 Mrd. Euro abhängig sind). Unterm Strich also kein schlechtes Geschäft. Also: Die Hansestadt erhält auf Basis fragwürdiger Kriterien eine Bestnote und kann sich günstiger Geld leihen.

Der Verdacht der bürgerlichen Opposition, die »ausgeweiteten und günstigeren Refinanzierungsmöglichkeiten« verleiteten den Senat »mehr Kredite als nötig aufzunehmen« (Kleibauer, CDU) trifft nicht den Kern der Operation. Angesichts des aufgehäuften Schuldenbergs und der »Schuldenbremse« hat der SPD-Senat hier wenig Spielraum. Statt Mutmaßungen über den Verschuldungshunger des SPD-Senats anzustellen, hätte man lieber nachfragen sollen, auf welcher optimistischen Einschätzung zur gesamtwirtschaftlichen Lage und Stabilität der Stadt die Bewertung von Fitch basiert. Die wird die Ratingagentur aber voraussichtlich erst im Juli veröffentlichen.

Wie sieht es um die Bonität der Freien und Hansestadt tatsächlich aus? Fitch kann weder zaubern noch untersucht die Agentur selbst, sondern sie wertet Angaben über das Bruttosozialprodukt, die Wachstumsrate, Staatseinnahmen und -ausgaben aus. Hält man sich an die Bilanz des Konzerns Hamburg (Kernhaushalt + Öffentliche Unternehmen), war die Stadt trotz relativ guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen (inkl. sprudelnden Steuereinnahmen) schon 2011 faktisch pleite.

Wegen der Finanzierungsverbindlichkeiten (vor allem Zinsen) und dem erheblichen Wertberichtigungsbedarf in der Größenordnung von über 700 Mio. Euro, musste der Konzern einen deutlichen Verlust hinnehmen. Inklusive dem Wertberichtigungsbedarf bei Beteiligungen wie der HSH Nordbank AG wies der Konzernabschluss einen Fehlbetrag von 752 Mio. Euro aus. (Kumuliert seit 2006 beträgt der Fehlbetrag 4,5 Mrd. Euro) Konsequenz: Die Schulden Hamburgs (Kernhaushalt, »Sondervermögen Konjunkturstabilisierungs-Fonds Hamburg« und Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts) stiegen zum 31.12.2011 auf rund 28,3 Mrd. Euro (Vorjahr: 27,6 Mrd. Euro). Und: Der nicht mehr durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag lag zum 31.12.2011 bei 1,7 Mrd. Euro. Die Stadt verzehrt also mehr und mehr ihre Vermögenssubstanz.

Die Mixtur aus Vermögensverlusten und zusätzlichen Belastungen hat sich seitdem dramatisch fortgesetzt. Bei der HSH Nordbank sind weitere Abschreibungen von deutlich über einer Mrd. Euro angefallen. Auch der Vermögensverzehr bei der öffentlichen Infrastruktur (Straßen, Schulen etc.) ist wegen viel zu geringer Ersatzinvestitionen weiter fortgeschritten.

Ausfallende Dividenden bei Hapag Lloyd, Mehrkosten bei der Elbphilharmonie von mindestens 250 Mio. Euro, Nachzahlungen in den Länderfinanzausgleich in Höhe von 180 Mio. Euro, Ausgleichszahlungen an das Sondervermögen Hafen und Stadt wegen Unterfinanzierung, Übernahme der Pensionszahlen des wegen der HSH Nordbank-Fiaskos in die Pleite getriebenen Hamburgischen Versorgungsfonds – die Liste der seit Ende 2011 aufgetretenen »außerordentlichen Belastungen« ließe sich noch um einiges verlängern.

Wir warten angesichts dieser Lage gespannt auf den »Rating-Bericht« von Fitch, und hoffen, dass er sich nicht als das erweist, was der Finanzsenator zu Recht am Agieren der großen Ratingagentur vor und in der Krise 2008 kritisiert: ein falsche Signale setzendes Gefälligkeitsgutachten.

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