Der rechte Rand

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5. September 2014 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Doppelhaushalt 2015/16: neoliberale Nagelprobe

»Die Abrechnung des Haushalts 2013 und die Planung des anstehenden Doppelhaushalts 2015/2016 zeigen, dass der Senat den Pfad der Schuldenbremse bisher einhält.« Mit diesem Urteil des Rechnungshofes1 ist – wenige Tage vor den Haushaltsberatungen – ein Großteil Kritik der bürgerlichen Opposition (CDU, FDP und Grüne) an der Finanzpolitik des Hamburger Senats als politische Mäkelei entlarvt worden.

Die Behauptung, dass der Senat bei der Umstellung vom kameralen auf das kaufmännische Haushaltswesen eine höhere Steigerungsrate bei den Ausgaben plane, wird vom Rechnungshof als Unfug entlarvt. Es sei zwar richtig, dass die Ausgaben mit dem Doppelhaushalt 2015/2016 auf dem Papier um 3,1% und nicht, wie versprochen, um maximal 1% wachsen, so Rechnungshof-Direktor Philipp Häfner. Aber die Erklärungen des Senats, wonach das lediglich auf die Umstellung der Haushaltssystematik zurückzuführen ist, seien schlüssig.

Der Rechnungshof weist nur die unhaltbare Behauptung von höheren Ausgabensteigerungen zurück. In der Sache steht er – wie stets in den letzten Jahren – hart zur neoliberalen Austeritätspolitik und dem bundesdeutschen Universalinstrument: der Schuldenbremse. Entgegen der Behauptung von einem vermeintlich brutalen Kürzungskurs des SPD-Senats sieht der Rechnungshof zurecht die bisherige Politik als »schleichende Konsolidierung«: »Die in den ersten Jahren in den Behörden erzielten Einsparungen wurden durch das Abbauen von Puffern, Resten und  Bewirtschaftungsspielräumen erleichtert. Dies wird von Jahr zu Jahr schwieriger.« Seine Schlussfolgerung: Erst in den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob die Ausgaben wirklich an die Einnahmen angepasst werden und so schrittweise eine weitere Kreditaufnahme entfällt. Die eigentliche Nagelprobe stehe also noch aus.

Doppelhaushalt 2015/16

Das Landesparlament (Bürgerschaft) beginnt in wenigen Tagen mit der üblichen zeitlich aufwendigen Beratung des Doppelhaushaltes. Der Entwurf des Doppelhaushalts 2015/2016 wird erstmals vollständig in der Form eines doppischen Produkthaushalts vorgelegt. Damit orientiert sich das hamburgische Haushaltswesen ab 2015 durchgängig an kaufmännischen Grundsätzen. Diese komplette Umstellung fordert sicherlich bei der Beratung ihren Tribut, weil die Unterschiede zur bisherigen kameralistischen Buchführung beträchtlich sind und damit eine Betrachtung im Vergleich zu den vorangegangenen Haushalten vielfach schwierig ist.

Entscheidend bei der Beratung ist aber die Aushebelung des Budgetrechtes des Parlaments. Faktisch sind die Ausgabenobergrenzen durch das Finanzrahmengesetz vorgegeben und die gewählten Abgeordneten können nur Positionen in dem vorgegebenen Rahmen verschieben oder austauschen. Die neoliberale Finanzordnung haben auch andere europäische Länder und andere Bundesländer durchexerziert. Es läuft überall auf ein neues Demokratieverständnis – die »marktkonforme Demokratie« – hinaus.

Begründet wird die Einschränkung des Budgetrechtes mit der Schuldenbremse, die daher in den Verfassungen festgeschrieben worden ist. »Der strukturelle Anstieg des Schuldenstandes der letzten Jahrzehnte soll – den Vorgaben der in der Verfassung verankerten ›Schuldenbremse‹ folgend – zum Stillstand gebracht werden. Dies soll nicht durch kurzfristig angelegte (und oft auch kurzlebige) Sparprogramme erreicht werden, die staatliche Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger beschädigen und eine langfristig positive Entwicklung des Stadtstaates gefährden würden, sondern durch eine konsequente und stetige Begrenzung des Ausgabenanstiegs.«

Die Ausgabenobergrenze ist festgeschrieben bis 2020. Zur Umsetzung dieser Vorgabe hat die hamburgische Bürgerschaft im Dezember 2012 das Finanzrahmengesetz beschlossen. Eigentlich könnte man daher die Beratungen auch in einen kleinen Ausschuss beim Finanzsenator verlagern. Die gewählten Abgeordneten haben ja dieser Selbstentmündigung mit erdrückender Mehrheit zugestimmt. Aber der Markt – sprich die Kapitalakkumulation – ist nicht an ein Finanzrahmengesetz zu binden. Insofern hängt die Härte des Sparkurses eben von den Konjunkturbedingungen und den Steuereinnahmen ab. Eine Veränderung der Steuergesetzgebung und des Steuervollzuges in Richtung größere soziale Gerechtigkeit lehnen gleichfalls komfortable Mehrheiten ab, insofern sind die Ausgaben der wesentliche Parameter.


Spielt der Markt mit, dann kann Hamburg also schon im Jahr 2017 Vollzug melden und nicht wie verfassungsrechtlich vorgeschrieben im Jahr 2020. Es gibt keine neuen Kredite zur Finanzierung des Haushaltes.
Mehr noch: Der Markt könnte – die bisherigen Steuertarife unterstellt und wenn die Wirtschaft brummt –ja Senat und Bürgerschaft überraschen und höhere Einnahmen einspielen. Aber auch der Zugriff auf diese Wohltaten ist den Abgeordneten verwehrt: »Liegt ein positiver konjunktureller Einfluss (eine positive ›Konjunkturkomponente‹) vor, so darf die Stadt in dieser Höhe keine zusätzlichen Aufwendungen verursachen, sondern muss einen dadurch verursachten Überschuss einer speziellen Teilposition des Eigenkapitals, der Konjunkturposition, zuführen. Ist dagegen in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Konjunkturkomponente negativ, so dürfen die Aufwendungen in dieser Höhe über die Erträge hinausgehen, und das dadurch verursachte doppische Defizit ist mit der Konjunkturposition zu verrechnen.« Also man könnte sich ja z.B. vorstellen, dass in Zeiten großer Flüchtlings- und Migrationsbewegungen die Überschüsse für humanitäre Zwecke mindestens im Bundesland eingesetzt werden, aber die Beschränkung des Budgetrechtes war gründlich und schließt dies faktisch aus.

Zentrales Resumee: »Mit dem Haushaltsplanentwurf 2015/2016 und der Finanzplanung bis 2018 wird das im Jahr 2011 beschlossene finanzpolitische Konzept zur strukturelle Sanierung des Haushalts konsequent fortgesetzt.« Die Bürgerschaft vollzieht nach, was in der Finanzbehörde errechnet wurde. Aber auch die mündigen Staatsdiener erhalten ihr Schuldenbremsekorsett: »Alle Behörden der hamburgischen Verwaltung standen und stehen in der Pflicht, Aufgabenkritik zu betreiben, Einsparpotenziale zu erschließen und Mehrkosten so weit wie möglich zu vermeiden. Angesichts des hohen Anteils des Personalaufwands am Gesamtvolumen des Haushalts kommen dem weiteren stetigen Abbau des Personalbestandes und der Eingrenzung des Personalkostenanstiegs besondere Bedeutung zu.« Logischerweis liegt in dieser Vorschrift zur Selbstkasteiung und zur geplanten Beschäftigung des Gemeinwesens die eigentliche Nagelprobe.
Den Abgeordneten und der Öffentlichkeit wird durchaus erläutert, was den Unterschied von der kameralen zur doppischen Haushälterei ausmacht. In der Gegenüberstellung von dem bisherigen (kameralen) Defizit zum doppischen Defizit wird der Sinn deutlich:


Das Defizit in der kaufmännischen Betrachtung ist viel höher – vor allem, weil in dieser auf das Vermögen der Stadt bezogenen Darstellung die Abschreibungen auf Gebäude, Infrastruktur etc. und die Pensionsrückstellungen einen deutlich höheren Stellenwert erhalten. Genau dies ist der Sinn der kaufmännischen Buchführung: Die Belastungen durch Abnutzung der Infrastruktur und künftige Pensionszahlungen müssen in der Gegenwart angemessen abgebildet werden.
Ziel der Betrachtung der kaufmännischen Buchführung ist der Erhalt des Nettovermögens der Stadt, wie es durch die Eigenkapitalposition in der nach kaufmännischen Grundsätzen erstellten Bilanz abgebildet wird. Bislang tauchten die Zuwächse oder Wertverluste bei den Anlagen und Infrastruktur nur am Rande auf, gleichermaßen eine systematische Abbildung der künftigen Versorgungsleistungen.

Risiken

Der Rechnungshof ist aktuell besorgt, weil mit diesem Doppelhaushalt die Kürzungen nicht mehr abgefedert werden können. Der Entwurf des Doppelhaushaltsplans 2015/2016 ist »der erste Plan (…), in dem im Wesentlichen letzte noch vorhandene Polster abgeschmolzen, eingeplante Puffer oder traditionell gebildete planerische Spielräume bereits ausgekehrt wurden. Dies ist nicht zu beanstanden, da eine Veranschlagung ohne Puffer dem Haushaltsgrundsatz entspricht, möglichst genau zu planen. In der Vergangenheit ist dieses Vorgehen gleichwohl nicht praktiziert worden, weil für Risiken Vorsorge getroffen werden sollte.«

Die Wahrheit der Schuldenbremse kommt jetzt an die Oberfläche. »Die jetzige Form der Veranschlagung zwingt dazu, in jedem Ressort die geplante Ausgabenlinie durch in den nächsten zwei Jahren umzusetzende Sparmaßnahmen einzuhalten. Zentrale Mittel stehen zum Ausgleich von Mehrbedarfen der Ressorts nicht mehr zur Verfügung.« Weil nicht mehr abgefedert werden kann, wird – so der Rechnungshof – die Einhaltung der starren Vorgaben schwieriger. »Es werden auch schmerzliche Konsolidierungsmaßnahmen anzugehen sein. … Der Haushalt 2015/2016 wird zur Nagelprobe für den Senat«, sagt Rechnungshofpräsident Schulz. Er müsse jetzt zeigen, dass er in er Lage ist, seine Ziele nicht nur im Parlament, sondern auch in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen. Dabei rücken zwei Bereiche in das Zentrum : Personalausgaben und Investitionen.

Stellschraube Personal

In der Tat ist das Thema Personal kritisch. Weshalb? Weil die gesellschaftliche Wirklichkeit sich an der Vorgabe einer Erhöhung von jährlich 0,88% reibt. Der hohe Anstieg bei den Personalausgaben (+9,5 % von 2014 auf 2015) ist teilweise auf die über-planmäßigen Tarif- und Besoldungserhöhungen der Jahre 2013 und 2014, vor allem aber auf den Anstieg der Versorgungsausgaben – unter anderem aufgrund steigender Fallzahlen, höherer Versorgungsbeihilfeausgaben und der Übernahme der Versorgungszahlungen für Landesbetriebe und Hochschulen – zurückzuführen.

Zur Einhaltung der Vorgaben wird einerseits nur mit Tariferhöhungen von 1,5% geplant und andererseits mit einem Personalabbau von 250 Stellen pro Jahr. Sind die Tarifsteigerungen und Versorgungsbeiträge höher, müssen weitere Kürzung im Personalstand den Ausgleich erzwingen. Einer erfolgreichen Konsolidierung in den Behördenetats steht dabei entgegen, dass bei den Personalkosten – die einen wesentlichen Teil der Gesamtkosten ausmachen – mehr als die Hälfte des Personalbestands von Konsolidierungsüberlegungen ausgenommen und zu »Schonbereichen« (dazu gehören Polizeivollzugsdienst, Feuerwehr, Lehrpersonal an Schulen und Hochschulen und neuerdings: Jobcenter team.arbeit.hamburg, Bundesbauabteilung) erklärt wurde. Im kleineren Teil des Personalbestands muss damit gegen die absehbaren, erheblichen Personalkostensteigerungen des Gesamthaushalts angespart werden.

Die sog. Sonstigen gesetzlichen Leistungen, etwa eine Mrd. Euro jedes Jahr, sind beispielsweise in den letzten Jahren jeweils um 5 % und damit deutlich über der für den Gesamthaushalt zu erreichenden Quote von unter 1% gestiegen. Auch die Personalausgaben steigen nach dem Haushaltsplan-Entwurf von 2014 auf 2015 insbesondere aufgrund der in 2014 erfolgten, aber nicht in dieser Höhe eingeplanten Tarif- und Besoldungserhöhungen und eines Anstiegs der Versorgungsempfängerzahlen.

Der Rechnungshof sieht deshalb das Thema Personal sehr kritisch. Das Ziel, jährlich 250 Stellen in der Verwaltung abzubauen, habe der Senat zwar erreicht. »Aber die Einsparungen werden aufgefressen durch Personalaufbau an anderer Stelle.« Im Ergebnis spare die Stadt bisher gar nichts, sondern steigere die Personalausgaben sogar weiter. Die neoliberalen Technokraten sehen, dass 56 Prozent des Personalkörpers als »Schonbereich« gelten, in dem kein Personal abgebaut werden soll. Das »kann auf Dauer nicht funktionieren«, sagt der Rechnungshof.
Der Rechnungshof sagt nicht, wie die öffentlichen Aufgaben unter vernünftigen Arbeitsbedingungen erledigt werden sollen. Erneut regte er an, das Höchstalter für von 60 auf 62 Jahre anzuheben. Auch der Schulbereich dürfe nicht für alle Zeiten tabu sein. Andernfalls müssten im kleineren Teil der Verwaltung rechnerisch jedes Jahr bis zu 800 Stellen abgebaut werden. Also Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für alle. Schuldenbremse heißt: Der öffentliche Sektor – damit Personal und BürgerInnendienste – werden massiv reduziert. Eine weitere Schädigung gibt es durch die Fortführung des Substanzverlustes bei der öffentlichen Infrastruktur.

Städtisches Vermögen: anhaltender Verschleiß

Zu den großmäuligen Versprechen der neoliberalen Haushaltskonsolidierungspolitik gehört neben der Beendigung des Schuldenwachstums ein Ende des Vermögensverzehrs. Im Kern dieser Politik gehe es darum, »dass die Stadt in den kommenden Jahren einen anspruchsvollen strukturellen Anpassungsprozess fortsetzen und zum Abschluss bringen muss, der den Vermögensverzehr und das Schuldenwachstum der vergangenen Jahrzehnte zum Stillstand bringt«.

Deshalb hätte man erwarten können, dass der Senat in seiner Haushaltsplanung vorsieht, mit großzügigen Investitionen in die marode öffentliche Infrastruktur den aufgelaufenen Sanierungsbedarf abzubauen und so das Vermögen der Stadt zu erhalten bzw. wieder zu mehren.
Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Der Senat senkt das Investitionsniveau. Vielleicht auch um das zu vernebeln führt der Senat mit dem Übergang zur Doppik einen neuen Investitionsbegriff ein. »Als Investitionen werden in der Doppik Auszahlungen bezeichnet, die bilanzierungsfähiges Anlagevermögen schaffen. Die Abgrenzung des Investitionsbegriffs ist anders und insgesamt deutlich enger als in der Kameralistik.

Der wichtigste Unterschied betrifft bauliche Maßnahmen zur Sanierung, Modernisierung und Instandhaltung. Im kameralen Haushalt waren Baumaßnahmen mit einem Volumen von mehr als 5.000 Euro stets als Investitionen zu veranschlagen. Doppisch sind jedoch auch große Baumaßnahmen an bestehenden Vermögensgegenständen (z.B. Gebäuden oder Straßen) nicht zwangsläufig investiv. (…) Viele große Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden und Objekten der öffentlichen Infrastruktur, die dazu dienen, die Substanz zu erhalten, Verschleiß auszugleichen und übliche Anpassungen an neuere technische und Ausstattungsstandards vorzunehmen, sind nach dieser Abgrenzung nicht mehr als Investition einzustufen.«

Weshalb nun die Sanierung eines Gebäudes, die ja das Vermögen der Stadt mehrt, weil sie den Wert des Gebäudes wieder erhöht, keine Investition sein soll, wird nicht weiter begründet. Durch die Umstellung wird zudem der Vergleich mit den Vorjahren schwierig. Das ist selbst für den Rechnungshof nicht nachvollziehbar. »Den (…) Effekt hat der Senat in Phasen der Umstellung mit Minderungseffekten von 30% quantifiziert. Der Bruch in der Zeitreihe wird durch die Vollumstellung in 2015 noch verstärkt.«

Auch unter Berücksichtigung dieser Umstellungen steht für den Rechnungshof fest: Die seit Jahren sinkende Investitionsquote führt zu einem fortlaufenden Substanzverzehr des öffentlichen Vermögens. Selbst unter Einrechnung der Investitionen des seit 2010 ausgegliederten Sondervermögens Schulbau reichen die öffentlichen Investitionen nicht aus den Verschleiß der städtischen Infrastruktur auch nur zu kompensieren. »Ein spezifisch doppischer Indikator für die Beurteilung, ob ausreichend investiert wird, ist das Verhältnis von kumulierten Abschreibungen zu den ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten. Es erlaubt Rückschlüsse auf den Abnutzungsgrad bzw. die Altersstruktur des Vermögens. Abschreibungsquoten von deutlich über 50 % signalisieren, dass – bei unverändertem Bedarf für die Anlagegüter – künftig mit einem erhöhten Bedarf für Ersatzinvestitionen zu rechnen ist. Straßen, Wege und Plätze waren 2012 bereits zu 67 % abgeschrieben. Dies bildet die Auswirkungen der unzureichenden Mittel für Reinvestitionen bzw. die Folgen einer mangelnden Instandhaltung der Vergangenheit ab. Diese Entwicklung hält hinsichtlich der Bilanzwerte an: Der Wert lag 2010 noch bei 65 %. 28 Auch in der Haushaltsplanung 2015/2016 werden die Auszahlungen für Investitionen unter den Abschreibungen (ohne solchen für Finanzanlagen) geplant.«

Diese fatale Desinvestionspolitik wird 2015 ff. fortgesetzt. Die Abschreibungen sind in jedem Jahr höher als die Investitionen, der Vermögensverzehr schreitet munter voran.




Wenn der Rechnungshof in seiner Schlussfolgerung dem Senat nur die »gelbe Ampel« vorhält, ist diese sehr defensive Kritik wohl hauptsächlich dem Umstand geschuldet, dass auch er die Schuldensbremsenschere im Kopf hat. »Es ist – auch anhand längerer Zeitreihen zu den Investitionen und Abschreibungen des doppischen Haushalts – derzeit nicht erkennbar, wie die unbestreitbaren Finanzbedarfe zum Erhalt und Ausbau der städtischen Infrastruktur und des sonstigen Anlagevermögens durch die tendenziell zurückgehenden Investitionen abgedeckt werden können. Die abwachsende Planung sowie die im Vergleich mit den Abschreibungen zu geringen Investitionen sind jedoch bereits ein Warnsignal im Sinne einer ›gelben Ampel‹. Die Investitionshöhe sichert nicht den Substanzerhalt. Dadurch werden Lasten in die Zukunft verlagert.«

Und der SPD-Senat? Er hat dem Publikum Tröstliches zu vermelden: Erstens bietet er einen Sanierungsfonds 2020 an, der mit fürstlichen 15 Mio. Euro im Jahr ausgestattet ist – das ist nicht mehr als ein ganz kleines Tröpfchen auf den berühmten heißen Stein. Zweitens beruhigt er die BürgerInnen in Sachen sinkendes Investitionsniveau mit der kühnen Behauptung, dass die »Fixierung auf die Investitionsquote des Kernhaushalts« zu kurz greife. »Für die Frage, ob ein Haushalt Entwicklungsperspektiven eröffnet, ist seine ›Bildungsfinanzierungsquote‹ (…) nicht weniger interessant als seine Investitionsquote.« Einmal angesehen davon, dass wir über die Hamburger »Bildungsfinanzierungsquote« nix erfahren: Was nützen uns viele und gute Bildungsabschlüsse, wenn auch wegen fehlender öffentlicher Investitionen Veränderungen in Hamburgs Wirtschaftsstruktur mit ihrer Fixierung auf die Hafenwirtschaft unterbleiben und damit auch die Schaffung von Arbeitsplätzen in modernen Wertschöpfungsbereichen? Was nützt uns eine, mal unterstellt, hohe »Bildungsfinanzierungsquote«, wenn eine mehr und mehr verrottende städtische Infrastruktur den Wirtschaftsstandort Hamburg immer unattraktiver macht?

Finanzsenator Tschentscher hat in einem Interview das verstärkte Engagement der Stadt bei Hapag Lloyd als strukturpolitische Entscheidung verteidigt. »Bei unserer Entscheidung 2012 ging es darum, Hapag-Lloyd aus einer Vertragslage zu befreien, die das Ende der Reederei in Hamburg bedeutet hätte. Wir haben Hapag-Lloyd damit eine gute Zukunft in Hamburg ermöglicht und auch die Grundlage für den Zusammenschluss mit CSAV gelegt, der eine große Chance bedeutet.« Die positiven gesamtwirtschaftlichen Effekte überwögen die Verluste, die die Beteiligung der Stadt gebracht hätten »bei Weitem. Die Stadt hat viele Beteiligungen, deren Ergebnisse sich gegenseitig ausgleichen. Es gibt keine Eins-zu-Eins-Wirkung auf den Haushalt, wie gelegentlich vorgerechnet wird. Der Verlustausgleich, den unsere Konzernholding HGV 2013 von der Stadt bekam, war deutlich geringer als im Haushalt geplant und er wird auch 2014 nicht höher sein als veranschlagt.«

Von einer solchen Strukturpolitik, die in den Umbau der Hamburger Wirtschaft investiert, damit die Zukunftsfähigkeit der Stadt und auch die Nachhaltigkeit der Steuereinnahmen absichert, ist im Doppelhaushalt 2015/2016 und der Finanzplanung für die folgenden Jahre, der Schuldenbremse und dem fehlenden Willen zur Verbesserung der Einnahmen mittels einer anderen Steuerpolitik sei Dank, weit und breit nichts zu sehen.

Schluss

Mit dem Doppelhaushalt 2015/2016 und dem Finanzplan bis 2018 kommt es zu einer deutlichen Verschärfung des bisherigen neoliberalen Konsolidierungskurses – nicht weil die Deckelung der Ausgabensteigerung auf 0,88% jährlich verstärkt worden ist, sondern weil »letzte noch vorhandene Polster abgeschmolzen und Puffer oder traditionell gebildete planerische Spielräume bereits ausgekehrt wurden«. (Rechnungshof). Dazu gehört, dass die Absenkungen der Zinsen und Mehreinnahmen vom Bund, die noch gar nicht beschlossen sind (z.B. höherer Anteil des Bundes an den Kosten der Unterkunft, höhere Beteiligung des Bundes an der Kinderbetreuung in Kitas und Krippen u.a.), im Planentwurf des Doppelhaushalts 2015/2016 bereits »eingepreist« sind. Hinzu kommen noch pauschal vorgegebene»Minderkosten«, die in der Planung für 2015 immerhin rund 165 Mio. Euro ausmachen. Da sagt selbst der Rechnungshof: »Fraglich ist, ob die Erwirtschaftung in dieser Größenordnung auch realistisch ist.« Und schließlich: Kommt es auf Grund einer rückläufigen Konjunktur zu Steuerausfällen, stehen die versammelten neoliberalen Schuldenbremsefans vor zusätzlichen gewaltigen Herausforderungen.

Aber auch ohne dieses Negativszenario, das noch ergänzt werden könnte durch zusätzliche Belastungen etwa durch die HSH Nordbank, müssen sich die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes mit noch mehr Entlassungen und Arbeitsdruck, und die BürgerInnen der Stadt mit dem programmierten weiteren Abbau öffentlicher Dienstleistungen und einer weiter verfallenden öffentliche Infrastruktur auf unwirtliche Zeiten einrichten.

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Siehe: Rechnungshof Freie und Hansestadt Hamburg, Monitoring Schuldenbremse 2014, 21.8. 2014

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