Der rechte Rand

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Das IfS. Faschist*innen
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9. Januar 2015 Martin Nees: Die Bund-Länder-Finanzbeziehungen

Nichts mehr im Lot!

Die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister feiern die schwarze Null, den Verzicht auf eine Kreditaufnahme im Bundeshaushalt 2015. Sie sehen Deutschland auf dem rechten Weg. Zu recht? Dies darf bezweifelt werden. Der ausgeglichene Bundeshaushalt 2015 wird auf Kosten der Menschen und Investitionen erwirtschaftet.

ALG II-EmpfängerInnen erhalten immer noch keine ausreichende Unterstützung, wie sie von den Wohlfahrtsverbänden gefordert wird. Beitragslose Leistungen der Rentenversicherung wie die Mütterrente werden nicht aus Steuergeldern, sondern aus Beiträgen der ArbeitnehmerInnen bezahlt. Auch die Infrastruktur, für die der Bund verantwortlich ist, wird »auf Verschleiß gefahren«.

Der desolate Zustand der Leverkusener Autobahnbrücke über den Rhein steht inzwischen sinnbildlich für diesen Zustand. Seit Monaten ist diese für Fahrzeuge über 3,5t gesperrt. LKWs müssen teilweise über 100 km und mehr Umweg in Kauf nehmen. Auch bei Bundesunternehmen fehlt hinten und vorne das Geld für Investitionen. Der Bahn fehlen in jedem Jahr ca. eine Mrd. € für den Erhalt ihrer Infrastruktur.

Bei den Bundesländern sieht es nicht besser aus. Sie sind ebenfalls unterfinanziert. Zwar planen die neuen Bundesländer, Berlin und Bayern mit ausgeglichenen Haushalten. Die neuen Länder erhalten aber nur noch bis 2019 jährlich ca. fünf Mrd. € aus dem Solidarpakt. Die Anderen kommen ohne weitere Schulden nicht aus. Es fehlt an LehrerInnen, PolizistInnen usw. in allen Bundesländern. Universitäten und Hochschulen darben. Krankenhäuser werden nur unzureichend finanziert usw.

NRW plant 2015 1,9 Mrd. € an neuen Krediten aufzunehmen, weniger als in den letzten Jahren. Der Haushalt ist deshalb, wie schon in den letzten Jahren, äußerst knapp kalkuliert. Geringere Steuereinnahmen, höhere Zinsen für Kredite bzw. ungeplante Mehrausgaben würden die Planungen sprengen. 2014 war dies der Fall. Das Landesverfassungsgericht verdonnerte die Landesregierung zu hohen Nachzahlungen bei den Vergütungen von BeamtInnen.

Außerdem brachen die Abgaben der Energiebranche drastisch ein. Die Personalausgaben des Landes sollen in NRW 2015 bis 2017 jeweils um 160 Mio. € gesenkt werden. Ohne Mehreinnahmen müsste der NRW-Haushalt um 2 bis 3 Mrd. € gekürzt werden, um ihn strukturell auszugleichen und die Schuldenbremse ab 2020 einhalten zu können.

Besonders prekär ist die Finanzsituation in den Kommunen, vor allem in strukturschwachen Gebieten. Die Kassenkredite der NRW-Kommunen sind erneut auf jetzt 25 Mrd. € angestiegen. Bei der Pro Kopf-Verschuldung liegt NRW jedoch nicht an der Spitze, sondern wird noch von Rheinland-Pfalz und dem Saarland übertroffen. Hinter NRW folgt dann schon Hessen. Selbst in den relativ wohlhabenden bayrischen Kommunen drohen Kürzungen und die Schließung von Einrichtungen. 30% der kommunalen Schwimmbäder sind hier mehr oder weniger dringend sanierungsbedürftig. 65 droht die Schließung.[1]

In vielen Kommunen in NRW stehen jetzt nach den Kommunalwahlen wieder Haushaltsberatungen an. Nicht viele können einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen. Allein die größte Stadt in NRW, Köln, wird entsprechend ihrer Haushaltsplanungen 2015 ein Defizit von 280,3 Mio. € ausweisen. Da bei den Kommunen über 90% der kommunalen Finanzmittel durch gesetzliche Vorgaben gebunden sind, wird bei den sogenannten freiwilligen Ausgaben gekürzt. Eine einfache Berechnung: Selbst wenn im Kölner Haushalt die geplanten freiwilligen Ausgaben für Kunst und Kultur (210,2 Mio. €) und in der Sportförderung (29,5 Mio. €) komplett gestrichen werden würden, könnte kein ausgeglichener Haushalt erreicht werden. Dabei gilt Köln noch nicht einmal als arme Stadt und unterliegt nicht der Haushaltssicherung. In anderen Kommunen ist die Situation noch viel drastischer.

Kommunale Haushaltsberatungen sind oft auch die Sternstunden der perspektivlosen Kleinkrämer und Pfennigfuchser. So beschloss z.B. in Köln eine ganz große Koalition aus CDU, SPD, Linken und FDP, bei Schulneubauten nicht mehr nach einem energiesparenden Verfahren, dem Passivhausstandard, zu bauen sondern nur noch die weniger energiesparenden gesetzlichen Standards einzuhalten.[2]

In solchen Diskussionen spielt das Erbe, das wir der nachfolgenden Generationen hinterlassen, plötzlich keine Rolle mehr. Sollen unsere Kinder und Enkel später horrende Rechnungen für Heizenergie bezahlen? Ein Neubau nach dem Passivhausstandard wäre nur unwesentlich teurer. Mit solchen und ähnlichen Kürzungen kann kein Haushalt ausgeglichen werden. Nur vergleichsweise kleine Summen können so zusammengekratzt werden, oft bei Einrichtungen, die das Leben in den Kommunen attraktiv und lebenswert machen.

Alle Gebietskörperschaften haben weiterhin ein massives Einnahmeproblem. Schuld daran sind im Wesentlichen die Steuerformen der rot-grünen, schwarz-gelben und schwarz-roten Bundesregierung. Diese Reformen führen zu Einnahmeausfällen, die sich bis einschließlich 2013 auf mittlerweile fast 500 Mrd. € summieren. Allein 2013 sind dies ca. 45 Mrd. €. Den NRW-Kommunen wurden so 2013 ca. 3 Mrd. Euro vorenthalten.

Um vor dem Hintergrund der Schuldenbremse einen drohenden Kahlschlag in den öffentlichen Haushalten zu verhindern müssen die Einnahmen erhöht werden. Vor allem auch die CDU geführte Bundesregierung verhindert dies und betet weiter ihr steuerpolitisches Mantra »Steuersenkung« herunter. Sie nimmt damit verbundene Einnahmeausfälle der öffentlichen Hand billigend in Kauf. Jetzt soll die »kalte Progression« in der Einkommensteuer beseitigt werden.

Selbst das Bundesfinanzministerium war zuletzt der Meinung, dass dieser behauptete Effekt zurzeit wegen der niedrigen Inflationsrate überhaupt nicht eintritt. Schaut man sich die deutsche Steuergeschichte seit der Wiedervereinigung an, so stellt man außerdem fest, dass die »kalte Progression« durch die verschiedenen Steuerreformen seit 1991 sogar bei einer möglichen höheren Inflation mehr als ausgeglichen worden ist.

Trotz allen Gesundbetens und des Geredes von sprudelnden Steuerquellen tobt ein Verteilungskampf um die zu knappen Finanzmittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Beispielhaft steht hierfür die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Diese sollte eigentlich im Dezember 2014 abgeschlossen sein. Die Verhandlungen stocken. Erste Konsequenzen: Im Rheinland wurden 140 Bauvorhaben im öffentlichen Nahverkehr u.a. für Barrierefreiheit und Brandschutz wegen der unsicheren Finanzierungsperspektive auf Eis gelegt.

Der Verhandlungsführer der SPD regierten Länder, Olaf Scholz, stellte in einer ver.di-Veranstaltung am 20.11.2014 in Berlin die Positionen der Bundesländer dar: Die neuen Bundesländer seien weiter auf Finanzhilfen wegen ihrer unterdurchschnittlichen Finanzkraft angewiesen. Ca. fünf Mrd. € aus dem Solidaritätszuschlag (Soli) flössen direkt an diese und nach Berlin. Der Soli könne wegen der politischen Stimmungen aber so nicht fortgeführt werden.

Das Saarland und Bremen könnten ihr Verschuldungsproblem nicht selbst lösen. Sie benötigten hierfür Finanzhilfen. Beim Finanzausgleich der Länder untereinander werde es aber keine großen Veränderungen geben können. Ein finanzieller Spielraum hierfür sei nicht vorhanden. Im Laufe dieser Veranstaltung wurde ebenfalls klar, dass wegen einer befürchteten Steuererhöhungsdebatte die Integration des Soli in die Einkommenssteuer vom Tisch ist.

Der Soli, der dem Bund zusteht, muss irgendwie ins Steuersystem integriert und neu verteilt werden. Die Summe beträgt aktuell ca. 18 Mrd. €. Darüber hinaus könne sich keine Ministerpräsidentin/kein Ministerpräsident leisten, »mit weniger Geld nach Hause zu kommen«, so ein Teilnehmer der abschließenden Podiumsdiskussion.

Der bayrische Finanzminister Markus Söder wird da bei einem Kreisparteitag der Main-Spessart Union in Marktheidenfeld deutlicher: »Wir haben die Gutmütigkeitsgrenze überschritten«,[3] und fordert eine massive Entlastung Bayerns bei den Zahlungen in den Länderfinanzausgleich. Wie diese Quadratur des Kreises gelöst werden kann ist unklar.

Politisch wird es in der laufenden Legislaturperiode bis 2017 schwierig werden Maßnahmen durchzusetzen, um die Einnahmen der Gebietskörperschaften zu erhöhen. Bei wenigen Maßnahmen könnte dies dennoch gelingen:

  • Die durch das Europaparlament beschlossene Einführung einer Transaktionssteuer (Börsenumsatzsteuer) könnte auch in Deutschland zügig umgesetzt werden. Ein nur geringer Steuersatz von 0,1% würde Spekulationsgeschäfte eindämmen und allein in Deutschland bis zu 35 Mrd. Euro Steuereinnahmen unter Berücksichtigung des geringer werdenden Geschäftsvolumens einbringen.[4]
  • Mit seinem Urteil zur Erbschaftssteuer hat das Bundesverfassungsgericht eine Neuordnung wegen der übermäßigen Privilegierung der Unternehmenserben angemahnt. Dies muss bis 2016 erfolgen. Deutschland liegt im internationalen Vergleich hinten. ver.di schlägt vor, das heute eingenommene jährliche Volumen von nur noch ca. fünf Mrd. € zu verdoppeln. Belastet werden sollen ausschließlich hohe Erbschaften.[5]

  • Außerdem wollen sich EU und OECD für Maßnahmen gegen die Erosion der Steuerbasis einsetzen. Sie wollen u.a. gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen in Steueroasen vorgehen. Auf G-20-Ebene soll 2015 ein Aktionsplan in Angriff genommen werden. Steuerexperten rechnen mit einem Steuermehraufkommen von acht Mrd. € für die Bundesrepublik, wenn entsprechende Maßnahmen auch in Deutschland umgesetzt werden.[6]

Mit diesen Minimalreformen könnten zumindest erste Finanzlöcher gestopft werden. Eine Gesundung der öffentlichen Finanzen ist dann aber immer noch in weiter Ferne. Weitere Maßnahmen wären nötig. ver.di hat hierzu schon im Mai 2013 ihre steuerpolitischen Vorstellungen aktualisiert[7] und im November 2014 ein Konzept zu der Neuordnung den Bund-Länder-Finanzbeziehungen vorgelegt.[8]

Martin Nees ist Gewerkschaftssekretär im ver.di Landesbezirk Nordrhein-Westfalen, Fachbereich Gemeinden.

[1] Main Post, 27.10.2014
[2] Kölner Stadt-Anzeiger, 18.12.2014
[3] Main-Post, 27.10.2014
[4] ver.di Bundesvorstand, Bereich Wirtschaftspolitik: Finanzmarktkrise ohne Ende? Vorschläge für eine neue Finanzmarktarchitektur, März 2012
[5] ver.di Wirtschaftspolitik, Informationen Nr. 03: Erbschaften gerecht reformieren!, Dezember 2014
[6] Böckler impuls 20/2014: Steuervermeidung an der Quelle bekämpfen, 18.12.2014. Weitere Informationen unter: boecklerimpuls.de
[7] ver.di Wirtschaftspolitik: Fair teilen! Höhere Löhne, Steuergerechtigkeit, Sozialstaat stärken, Mai 2013
[8] ver.di Bundesvorstand, Bereich Wirtschaftspolitik und Fachbereiche Bund und Länder sowie Gemeinden: Solidarisch und gleichwertig – zur Zukunft des Länderfinanzausgleichs, September 2014

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