Der rechte Rand

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3. Januar 2012 Joachim Bischoff: Kommen HSH Nordbank-Manager vor Gericht?

Anklage gegen Zocker-Banker

Nun gibt es doch ein gerichtliches Verfahren für die ehemaligen Führungskräfte der HSH Nordbank.[1] Aufgrund der Strafanzeige des Anwaltes Gerhard Strate wurden Ermittlungen wegen Untreue gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und fünf weitere verantwortliche Vorstände aufgenommen. Gegen die direkt verantwortlichen Banker Dirk-Jens Nonnenmacher (Ex-Bankchef) und Jochen Friedrich (Ex-Kapitalmarktvorstand) wurde außerdem wegen Bilanzfälschung und Falschdarstellung der Unternehmensverhältnisse ermittelt.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat nun nach langer und widersprüchlicher Ermittlungsarbeit Anklage wegen Untreue in besonders schwerem Fall und Bilanzfälschung erhoben. Die zuständige Gerichtskammer wird jetzt prüfen, ob die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird.

Der Verdacht der Staatsanwaltschaft lautet: Vorstand und Aufsichtsrat seien im Herbst 2007 – wegen der vorangeschrittenen Finanzkrise war eine genauere Prüfung aller Kreditoperationen geboten – pflichtwidrig unzureichend geprüfte Risiken eingegangen. Für die Ende des Jahres 2007 abgeschlossenen Ausplatzierungen von Wertpapieren, Krediten etc. seien keine wirtschaftlich oder juristisch zu rechtfertigenden Vorteile zu erkennen. Diese Transaktionen hätten zudem durch ihre zeitliche Struktur die Kontrolle der Aufsichtsgremien unterlaufen. Schließlich seien diese wirtschaftlich sinnlosen Transaktionen mit schweren Vermögensschäden verbunden gewesen.

Im Ermittlungsverfahren und der eingereichten Klageschrift geht es um die Beurteilung einer Reihe von Geschäftsentscheidungen, bei der die Vorstände der Bank über die Jahre hinweg in der Tat verschiedenen Fehleinschätzungen erlegen sind, die zu nicht weniger falschen unternehmerischen Entscheidungen geführt haben. Ein Teil dieser Fehler stellt rechtlich relevante Pflichtverletzungen dar. Die Einschätzung, ob die Pflichtverletzungen nur von einzelnen wenigen Vorstandsmitgliedern zu verantworten sind, war im parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft strittig.

Im Zentrum der Klage steht ein Kreislaufgeschäft namens Omega 55, das am Jahresende 2007 abgeschlossen wurde und das hohe Millionenverluste ausgelöst hat. Es handelte sich bei Omega um Geschäftsoperationen mit Zweckgesellschaften, die von vielen Banken im Vorfeld der Finanzkrise angelegt wurden. In diesen aus den Bankbilanzen ausgelagerten Gesellschaften wurden Wertpapiere gehalten und gehandelt, die auf Immobilien- und Hypothekenkredite oder auch Staatsanleihen (Island, Irland etc) zurückgingen. Der Vorteil der Auslagerung in Zweckgesellschaften bestand darin, dass diese außerhalb der Bankbilanz geführt werden können, und insofern bewusst und vorsätzlich in den eigenen Bilanzen gar nicht auftauchen.

Auch die HSH Nordbank wurde im Sommer 2007 von der von den USA ausgehenden Suprime-Krise erfasst. Das von Wertberichtigungen bedrohte Investment bezifferte der damalige HSH-Vorstandsvorsitzende Hans Berger auf ca. 1,4 Mrd. Euro. Die Bank nahm zum einen selbst betriebene Zweckgesellschaften in die Bücher zurück und geriet wegen erhöhter Abschreibungen und Risikovorsorge unter Druck. Mit Blick auf Ende 2007 waren wenigstens Papiere in Höhe von 4,4 Mrd. Euro mit neuen Bewertungen auszustatten. Die Bank hätte weitere Verluste ausweisen müssen und es war zu befürchten, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Geschäftsbetrieb kritisch bewertet würde.

Die Omega-Geschäfte dienten der Auslagerung dieser toxischen Papiere und der Reduktion der Risikovorsorge. Risiko-Aktiva wurden an die Zweckgesellschaften »Omega« verkauft. Die geschäftsführende Bank BNP bestand zunächst auf einer Abklärung dieser Operation bei der Bankaufsicht BaFin, verzichtet letztlich aber darauf. Diese Omega-Zweckgesellschaften wurden nicht vorschriftsmäßig gebucht. Dieser »Fehler« hatte den Charme, dass dieses Portfolio nicht den geforderten permanenten Kontrollen und Sonderprüfungen der BaFin, des Aufsichtsrates und der eigenen Innenrevision unterlag.

Die Omega-Transaktionen waren mit Sicherheit kein übliches Wertpapiergeschäft. Die Bank kaufte sich durch diese fragwürdige Transaktion Zeit, um die Eigenkapital- und Liquiditätssituation im folgenden Jahr 2008 durch eine Kapitalerhöhung um zwei Mrd. Euro zeitweilig beheben zu können. Am Ende des Jahres wurden mit einer Garantie des Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) von 30 Mrd. Euro, einem Kapitaleinschuss von 3 Mrd. Euro und einem Bürgschaftsrahmen von 10 Mrd. Euro die kritische Konstellation weiter abgemildert.

Bei den Omega-Geschäften ist nicht nach bank- und bilanzrechtlichen Vorschriften gehandelt worden. Auch dies verwundert in unserem Lande niemand, weil es seit Jahren üblich war, solche Kapitaltransaktionen von Standorten wie Luxemburg, London oder gar den Cayman Inseln aus zu betreiben. Dort konnte das Kapital ohne lästige Vorschriften und Kontrollen agieren. Dem Aufsichtsrat war die Existenz dieser Portefeuilles dem Grunde nach bekannt.

Weil diese Geschäfte regelwidrig waren und die Bankaufsicht getäuscht worden war, erhielt die HSH im September 2010 einen Bußgeldbescheid der BaFin über 50.000 Euro, die sie dann klammheimlich bezahlt hat. Mit dem Ziel »Bilanzentlastung« hatten die Verantwortlichen der HSH Nordbank in Kooperation mit der BNP Paribas Überkreuzgeschäfte in Größenordnungen von mehreren Milliarden getätigt. Der HSH hatte der Deal anschließend einen 500 Millionen Euro Verlust beschert.

Dieser Verlust war der Auslöser für die desaströse Schieflage der Bank. Die beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein mussten mit Steuergeldern in Milliardenhöhe die Bank vor der Insolvenz retten. Grund des Bußgeldbescheides war, dass die Bankverantwortlichen die BaFin nicht in gebotenem Umfange über die Geschäfte informiert hatte. Die BaFin hatte im Dezember 2007 und nochmals im Februar 2008 konkret über den Umfang der Geschäfte angefragt. Zudem spielt der Inhalt einer E-Mail der HSH Rechtsabteilung an die Verantwortlichen – u.a. an den Vorstand der Bank – vom 20. Dezember 2007 eine Rolle. In dieser E-Mail heißt es: »Wir sollten jegliche Verpflichtung bei dieser Sache vermeiden, da wir nicht beabsichtigen, die BaFin über diesen Deal zu informieren.« Es war also von vornherein klar, dass die Landesbank diese Risiken nach nur wenigen Wochen wieder in ihre Bücher zurücknehmen wollte, und es nur um kreative Bilanzaufhübschung zum 31.12.2007 ging. Dieses ist im Wertpapiergeschäft untersagt und wäre von der BaFin niemals genehmigt worden.

Die Bank verletzte also Vorschriften und die Aufhübschung der Bilanz fiel auf. Das Bankmanagement erfand Ausreden, im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss suchten Abgeordnete nach der Wahrheit und wurden durch die Schweigeallianz von HSH und Bankenaufsicht verladen. Die Bankenaufsicht erließ im September 2010 einen Bußgeldbescheid und die Bank akzeptierte.

In ihrem Bußgeldbescheid beschreibt die BaFin auf 13 Seiten die Pflichtverstöße der Vorstände sowie die organisatorischen Mängel innerhalb der Bank. Die BaFin sieht zwar viele Hinweise auf bewusste Täuschung, wirft den Bankvorständen aber lediglich Fahrlässigkeit vor. Hätte die BaFin ihren Vorwurf »bewusste Täuschung« bis hin zur vorsätzlichen Bilanzfälschung Ernst genommen, hätte sie eine sofortige Absetzung der Vorstände sowie die Verhängung eines Moratoriums über die HSH Nordbank auf den Weg bringen müssen.

Nach dem Bußgeldverfahren durch die BaFin wird jetzt endlich auch ein Strafverfahren gegen die verantwortlichen Manager eröffnet. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende, Prof. Dirk-Jens Nonnenmacher, erklärte am 19.8.2010 in einem Interview: »Der Vorwurf der Bilanzfälschung ist absurd und wird durch Wiederholung nicht stichhaltiger. Eine falsche Bilanz ist keine gefälschte Bilanz.« Gleichwohl bleibt der Sachverhalt: Die Entscheidungsvorlage für das Wertpapiergeschäft Omega war mindestens grob mangelhaft gewesen. Es wird jetzt kritisch für die Ex-Vorstände der HSH Nordbank.

Nonnenmacher hat riesige Abfindungssummen vereinnahmen können. Gleichwohl hat der Bank-Chef gute Karten: Sein Aufhebungsvertrag räume dem Banker Privilegien im Wert von mehreren Millionen Euro ein, heißt es. Die soll er auch im Fall einer Anklage behalten dürfen. Es wird klarstellend festgehalten, dass die Tatsache einer etwaigen künftigen Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft gegen Nonnenmacher für sich genommen die Gesellschaft nicht zur Rückforderung der Leistungen berechtigt.

Zweifelhafte dubiose Finanzmarktgeschäfte brachten die HSH Nordbank an den Rand des Ruins. Nur durch Kapitaleinschüsse und Garantien der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein konnte die Bank vor dem Untergang bewahrt werden. Auf Druck der Eigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein musste Nonnenmacher im März 2011 schließlich seinen Chefsessel räumen.

Die Anklage gegen die Zockerbanker ist ein wichtiger Schritt. Es wäre ein großer Fortschritt, wenn ein Gerichtsverfahren eröffnet werden könnte. Die Aburteilung der Täter kann zwar den angerichteten Schaden nicht gut machen und die möglichen zivilrechtlichen Schadenansprüche gegen die sechs Vorstandsmitglieder sind mindestens langwierig und auch nicht sonderlich aussichtsreich. Das düstere Kapitel der Landesbanken würde auf diese Weise nicht nur mit der eingeleiteten Abwicklung dieses Banktypus zu Ende gehen, sondern auch mit der ausdrücklichen Übernahme der Verantwortung eines Teil der HSH-Akteure für die massiven Rechtsbrüche und Fehlentwicklungen.

Aus dem Debakel der Landesbanken lassen sich Schlussfolgerungen mit Blick auf das gesamte Bankensystem ziehen. Dabei geht es

  • erstens um die Durchsetzung von effizienteren Kontrollen der öffentlichen Unternehmen durch kompetente Aufsichtsräte und Beteiligungsausschüsse
  • zweitens um eine deutliche Intensivierung der Bankenaufsicht
  • drittens um die komplette Neuorganisation des Finanzbereichs der Bundesrepublik (inklusive Bonusregelungen und Finanztransaktionssteuer) sowie den Abbau der exorbitanten Vermögen (sozial regulierte Entwertung und Besteuerung). Neben dem Verbot von »Schattenbanken« muss eine durchgreifende Reformen in den Bereichen Rating-Agenturen und zinslose Notenbankkredite (Eurobonds) in Angriff genommen werden. Weiter geht es um die gesetzliche Festlegung der Zinssätze, Kapitalverkehrskontrollen und Kontrollmitteilungen über Gewinnausschüttungen.

[1] Siehe hierzu ausführlicher: Joachim Bischoff/Knut Persson/Norbert Weber, Tatort HSH Nordbank, VSA: Verlag Hamburg 2010; sowie den Minderheitenbericht zum Bericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses HSH Nordbank vom 21.1.2011.

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